Von Günter, 14.06.2023

JAWA/ GOETZE CISSOKO MORENO/ RICARDO TESI/ JOSE AFONSO/ ROTTLER/ ROTTE/ ROBIN McKELLE

Jawa – Bewahrer der Tradition

Bleibt zu hoffen, dass das Ensemble JAWA, bestehend aus 6 arabisch stämmigen Musikern, mit dem Titel ihrer CD „Last Breaths from Aleppo“ nie Recht behalten wird. Für diese CD hat es für 18 traditionelle Sufi Gesänge aus Syrien sorgsam und feingeistig instrumentale Begleitung komponiert. Handwerklich und musikalisch komplex, klingt das für unsere westlichen Ohren ungewöhnlich, ist der Versuch ein Erbe zu bewahren, das Gefahr läuft zu verschwinden.

Goetze…FlamenKora – Kulturen verschmelzen

Nach längerem Stillstand kommt jetzt eine neue CD des Motema Labels. Mit den Instrumenten Trompete, Kora und Gitarre erschaffen GOETZE CISSOKO MORENO ihr „Flamenkora“. Eine entspannte, fast ambiente Reise durch die Welt der Stammländer ihrer Saiteninstrumente mit jazzigen Verzierungen des Trompeters. Mild im Ton, gebremst im Tempo mit fliessenden Melodien und gelegentlich authentischem Gesang des Kora Spielers.

Fast so fleissig wie Tristans Driessens ist der italienische Akkordeonist RICCARDO TESI, wenn es um Musik geht. Für sein „La giusta Distanza“ hat er mit wechselnden MusikerInnen an einem breiten Areal an Instrumenten seine 12 neu komponierten Stücke eingespielt. Natürlich bleibt er der italienischen bzw. mediterranen Musik Tradition verbunden, aber zugänglicher für NordeuropäerInnen ja beinahe poppiger klang seine Musik bisher nie. Von grosser Besetzung über 2 Titel mit Gesang zum intimen Duett mit Piano lebt er seinen musikalischen Traum.

In der Reihe der Neuauflagen der Musik von JOSE AFONSO erscheinen in diesen Tagen „Enquato ha Forca“ und „Fura Fura“, auf denen ein Dutzend Titel enthalten sind, die er für 2 Regime kritische Theaterstücke schrieb, dazu weitere Songs über Korruption, Unterdrückung, soziale Ungerechtigkeit und weitere politische Themen. Zwischen Fado und Singer/Songwriter, für die Zeit (70er) trotz lokalem Ansatz schon ziemlich international.

Für meine Ohren ein wenig spät kommen die Stuttgarter ROTTLER mit ihrem „Disziplin & Zigaretten“. Klar, m/f kann jede Musik immer machen, aber ist Spät-Punk oder geradliniger Noise Rock auf Tonträger noch relevant? Ist denen egal! Textlich ein wenig Hamburger Schule, etwas ‚reim Dich oder ich fress Dich‘, dazu krachige Gitarren, wuchtige Drums und ein Sänger, der offensichtlich gern vorne steht. Zwischen erwartbarer Kapitalismus Kritik und philosophisch angehaucht. Funktioniert sicher im Club oder beim Festival besser, als bei mir zuhause.

Weil er auf einem Bein nicht stehen kann, gibt Sänger Rottler fast parallel ein Solo Album als ROTTE heraus. Auf dieser Platte ohne Titel zeigt er eine ganz andere Seite. Unterstützt von Freunden aus der Dark Wave / Industrial Szene (sagt m/f das heute noch?) gibt’s hier komplett elektronischen Hintergrund für seine gesprochenen Texte. In denen er über Alltag, Szene, das Leben heute und natürlich Beziehungen fantasiert. Zwischen schräg und gewöhnungsbedürftig, für mich jedoch deutlich interessanter als sein Bandprojekt.

Robin McKelle – Gut gemacht!

Einer echten Herausforderung stellt sich ROBIN McKELLE mit ihrer neuen CD „Impressions of Ella“. Die Brüder Peter und Kenny Washington an Bass und Drums und dazu Kenny Barron am Piano versorgen sie mit dem perfekten Background, auf dem sie ihre individuelle Hommage entfaltet. In den 11 Titeln, Klassiker aus dem American Songbook, zieht sie alle Register, von stehend langsamer Ballade zu Tempo und Scat. Natürlich singt nur Ella wie Ella, aber diese Verbeugung vor einer grossen Stimme ist auch im direkten Vergleich keine Kopie, sondern eine deutlich eigenständige Variante. Gut gemacht!

Archivtexte Ohrenschmauch

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