Von Günter, 19.07.2023

GILBERT PÄFFGEN/ MARCOS COLL/ CERAMIC DOG/ SAINT PRIVAT/ RAIZ

Es überrascht und begeistert mich immer wieder, mit welchen Ideen, Instrumenten, in welchen Besetzungen und mit welchem Ergebnis rund um den Erdball Menschen Musik erzeugen. Typisches Beispiel: Der ‚hauptberufliche‘ Schlagzeuger GILBERT PÄFFGEN spielt eine Solo-CD ein auf dem Hackbrett (dtsch. Hammered Dulcimer). Keine Volksmusik! Eher jazzige Kompositionen oder spontane Improvisationen gemischt mit Traditionellem. Klingt manchmal nicht weit weg vom Cembalo, und lässt erstaunliche Klänge erschallen. Muss m/f mögen, aber mit Track 6 und Gästen an Bass und Flügelhorn schafft er auf „Gia“ einen Ohrwurm.

Oder der hier: MARCOS COLL spielt Mundharmonika. Ist ja durchaus verzeihlich. Mit seinen 3 Begleitern an Gitarren, Bass und Perkussion mischt er ein sehr buntes Süppchen aus spanischer Tradition, die von der Gastsängerin authentisch intoniert wird, ein wenig Bolero, Cumbia bzw. Latin Rhythmen, Kapverden Sounds und Wildwest Romantik. Daher wohl auch der passende Titel „Nomade“. Sehr emotional und wohlklingend. Schwer vorzustellen? Einfach umsonst anhören!

Ceramic Dog – Wohl organisierter Lärm

Weil es bisher so schön war, jetzt mal etwas wohlorganisierter Krach. Marc Ribot kennt die Welt als vielseitig flexiblen Gitarristen hinter z.B. Tom Waits. Mit seiner 3er Formation CERAMIC DOG legt er jetzt ein neues Werk vor. 10 seiner Variationen wie Rockmusik klingen kann, wenn die Beteiligten eher aus der Abteilung Improvisation stammen. Von harmonisch und nachvollziehbar zu Experimenten in verzerrten Sounds, im agilen Trio oder mit Gästen, die seinen ‚Stil‘ wechseln können (u.a. Anthony Coleman, Greg Lewis, James Brandon Lewis). Gesang gibt es auch, das macht er auf einigen Tracks selbst und auf einem Track sogar mit Unterstützung der aus meinem Blickfeld verschwundenen Syd Straw. Inhaltlich selbstverständlich so offensiv wie die dazugehörige Musik. Mit Track 5 kommt dann der freie ‚Ohrenputzer‘ mit J.B. Lewis, danach geht’s dann in harmonischeren Bahnen weiter. „Connection“ ist definitiv keine Unterhaltungsmusik, sondern Auseinandersetzung mit Form und Inhalt unvermeidlich.

Saint Privat – Vive la Chanson

Zum genauen Gegenteil. Waldeck und sein ‚Freundin‘ Valerie Sajdik reaktivieren ihr Projekt SAINT PRIVAT. Er organisiert die Musik, sie liefert fast alle Texte und singt, französisch. Dem entspricht auch der von Waldeck geschaffene Hintergrund. Ein wenig Elektro-Swing gemischt mit Chanson. Charmant umgesetzt, passend gesungen, erinnert mich „Apres la Boheme“ an den 60ies Pop links vom Rhein, oder für jüngere Menschenkinder, an die ‚Le Pop‘ Reihe der 00er Jahre. Beste Unterhaltung nicht nur für späte Stunden.

Meine Schönheit der Woche kommt aus Italien. RAIZ „Canta Sergio Bruni“. 10 Songs des in seiner Heimat als Stimme von Napoli bezeichneten Komponisten hat Raiz mit seiner minimal mit 2 akustischen Gitarren, Akkordeon und Perkussion besetzten Combo eingespielt. Den Untertitel übersetzte ich mir mal mit ‚eine verlorene Liebe ist ähnlich wie sterben‘, so klingt auch seine etwas kehlige Stimme, getränkt mit Emotionen und etwas leidend, was aber durch die grossartig dezent aufspielenden Kollegen in der Band kurz vor den Tränen der Hörenden aufgefangen wird. Tempo, Schwung oder Optimismus sind hier fehl am Platz, dafür singt (spricht) der Sänger direkt zu den Herzen auch von vergleichbarem Schicksal nicht betroffenen. Vielleicht (wahrscheinlich!) ist es in diesem Fall besser, nicht zu viel italienisch zu verstehen.

Raiz – Mehr Napoli geht nicht!

Meine Schönheit der Woche kommt aus Italien. RAIZ „Canta Sergio Bruni“. 10 Songs des in seiner Heimat als Stimme von Napoli bezeichneten Komponisten hat Raiz mit seiner minimal mit 2 akustischen Gitarren, Akkordeon und Perkussion besetzten Combo eingespielt. Den Untertitel übersetzte ich mir mal mit ‚eine verlorene Liebe ist ähnlich wie sterben‘, so klingt auch seine etwas kehlige Stimme, getränkt mit Emotionen und etwas leidend, was aber durch die grossartig dezent aufspielenden Kollegen in der Band kurz vor den Tränen der Hörenden aufgefangen wird. Tempo, Schwung oder Optimismus sind hier fehl am Platz, dafür singt (spricht) der Sänger direkt zu den Herzen auch von vergleichbarem Schicksal nicht betroffenen. Vielleicht (wahrscheinlich!) ist es in diesem Fall besser, nicht zu viel italienisch zu verstehen.

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