Von Günter, 09.08.2023

GIRL RAY/ BIANC JAMES/ TEENAGE WRIST/ 5TH SEASON/ KETIL BJORNSTAD

Girl Ray – Disco zu dritt

Mehr Pop als in dieser Ausgabe wird es vermutlich in diesem Jahr nicht mehr geben! Los geht es mit GIRL RAY. Drei junge Frauen, die auf ihrem 3. Album dem Disco Pop der end 70er/frühen 80er frönen. Allerdings geht es in deren luftigen Songs inhaltlich weniger um gefällige Optik und Paillettenkleider als vielmehr um Themen persönlicher Angelegenheiten. Mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und gelegentlicher Ergänzung durch Strings vom Keyboard präsentieren sie einen Sound, an dem Nile Rodgers seine helle Freude haben wird. Dabei klingen sie nicht nach Sister Sledge, sondern finden eine ganz eigene Form des Gesangsvortrags. Nette Idee am Rande, hat nix mit der Platte zu tun: Zum Release Konzert von „Prestige“ haben sie ihre Eltern als DJs für das Rahmenprogramm engagiert.

Bianca James – liebt ‚richtige‘ Instrumente

Stark an den Sounds der 60er orientiert klingt BIANCA JAMES‘ Album ohne Titel. Sie liebt den Klang ‚richtiger‘ Instrumente, entsprechend klingt das fett produzierte Werk auch nicht nach Keksdose, wie ein Grossteil der am PC konstruierten Platten der MitbewerberInnen. Abgesehen davon singt sie auch noch sehr überzeugend, findet für ihre selbst geschriebenen Themen den jeweils richtigen Tonfall und überzeugt in Temponummern genau so wie in Balladen. Wenn sie ins Format Radio (oder vorn auf Playlisten) gekauft wird, ist das sicher nicht ihre letzte Platte.

Deutlich weniger Pop orientiert oder poliert präsentieren sich die beiden Männer, die als TEENAGE WRIST firmieren. Mit Gitarre bzw. Bass und Drums bzw. Perkussion und der Hilfe von ein paar Freunden erinnert die Ausstattung an die White Stripes. Ist gar nicht mal so falsch, krachige Gitarren-Riffs und polternde Drums und Harmonien, wenn ich es so nennen darf, die auch dem Spät-Punk der frühen 80er gut gestanden hätten. Wobei die Herren hier durchaus qualifiziertes Handwerk aufzeigen und auf „Still Love“ auch mal gemässigte Töne anschlagen.

Kurzzeitig irritiert war ich von der 5TH SEASON. Kurzer Check, ob ich nicht eine alte CD von Genesis eingelegt hatte. Melodischer Prog Rock im Stil der 70er Jahre. Ausgeführt von 4 ausgebufften Musikern und ihren 2 Gästen. Wenig Gesang, und sogar der klingt für mich nach Phil. In der klassischen Besetzung g,b,dr,key lassen sie die Vergangenheit in moderner Tontechnik wieder aufleben. Und wer es wagt einen Track ‚On the dark Side of the Moon‘ zu betiteln, der muss sich schon mal Vergleiche gefallen lassen. Interessante Variante!

Ketil Bjornstad – Spaziergänge bei Nacht

Der hier ist auf seine alten Tage fast so fleissig wie Van the Man. KETIL BJORNSTAD legt mit „Nightwalker“ gleich eine Doppel CD vor. Noch bevor die ersten Töne erklangen, habe ich mich im begleitenden Booklet (in Englisch) festgebissen. Er ist auch ein hervorragender Schreiber. Zur Musik: 23 mehr oder weniger kurze Titel für Piano solo. Klassisch geschult, minimal beeinflusst; in romantischen Klängen und sehr sparsamen Tonfolgen beschreibt er seine Eindrücke und Erinnerungen an nächtliche Spaziergänge zu allen Jahreszeiten. Das allein ist schon wunderbar. Auf CD 2 folgt das gleich Programm noch einmal, allerdings eingespielt auf einem Fender Rhodes E-Piano. Und das spielt er, als sei es eine Kirchenorgel. Wenige Töne wie gehabt, aber die Möglichkeiten des Instruments genussvoll auslotend. Klingt manchmal fast sakral. Faszinierend!

Archivtexte Ohrenschmauch

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