Ohrenschmauch
Von Günter, 23.08.2023
FIONA GROND/ EMMA RAWITZ/ DAVID HELBOCK/ SOUL TUNE ALLSTARS/ AILA/ OGHLAN BAKHSHI/ JOANNA WALLFISCH
In jedem Jahr das gleiche. Von Mitte Juli bis Mitte August ziemlich tote Hose bei den Neuheiten, danach wird m/f zugeschüttet. Deshalb: Los!
Vom deutschen Jazz Label ACT kommen gleich 3 auf einen Streich. Mit der Schweizer Sängerin FIONA GROND meldet sich eine neue Stimme zu Wort. Begleitet von Gitarre und Saxofon lotet sie ihre gesanglichen Möglichkeiten nicht nur in Worten aus. Der Titel „Poesias“ beschreibt die Stimmung des Albums ziemlich genau.
Die britische Saxofonistin EMMA RAWITZ ist die 2. Frau in diesem Block. Auf Tenorsax, Flöte und Bass-Klarinette führt sie die 5 männlichen Kollegen durch ihre 9 Eigenkompositionen in zeitgemässen bisweilen freien Strukturen. Und, Ballade kann sie auch gut.
DAVID HELBOCK’s „Austrian Syndicate“ soll m/f nicht nur als Hommage an Österreichs Jazz Legende J. Zawinul verstehen. Auf diesem Werk überlässt er die Piano-Tasten dem Kollegen Peter Madsen und bedient selbst nur elektronische Klangerzeuger. Gleichzeitig Rückbesinnung auf Fusion Jazz und dessen Folgen und Ausblick auf mögliche zukünftige Orientierung. Weltoffen, rhythmisch rasant und mit ausgesuchten HelferInnen (F. Wesley, A. Acuna, L. Benjamin, D. Yousseff, M. Joao) tauchen nicht nur bei Fans des Weather Report Bilder und Harmonien anderer Länder vor dem geistigen Auge (Ohr!) auf. Alle drei auch als Vinyl!
Die spinnen, die Finnen. Ausgerechnet aus einer der kühlsten Regionen Europas kommt heisse Soul / Funk Musik. Schwedischer Produzent samt Band und finnischer Fender Rhodes Spezi mit Gast-SängerInnen schaffen zusammen als SOUL TUNE ALLSTARS mit „The Soul of the Viking“ eine wunderbar authentische Old School Groove Platte. Sowohl instrumental als auch Vokal.
Immer mit einem Ohr in der Welt unterwegs. Jetzt in Galizien. AILA nennt sich das Quartett aus Gesang, Gitarre, Trompete und Akkordeon, das zusammen mit passenden Gästen auf „Sansolimon“ Melodien und Rhythmen der heimischen Tradition mit Einflüssen aus zumindest dem gesamten mediterranen Raum zu einer neuen, flüssigen Musikform gestaltet.
Danach Turkmenistan. OGHLAN BAKHSHI spielt traditionelle Lieder und Improvisationen auf seiner Dutar, einer 2 saitigen Laute, singt dazu und wird begleitet auf dem Gyjak, einem weiteren speziellen Saiten-Instrument. Klingt schon sehr gewöhnungsbedürftig, hat für neugierige Ohren jedoch einen ganz besonderen Reiz. Far out!
Schon ist die Jazz Thing Next Generation bei Nr. 99 angekommen. Die stellt die in Berlin lebende Pianistin ALEXANDRA IVANOVA in ihrem Trio vor. Auf „Beauty in Chaos“ präsentiert sie Ergebnisse und Erfahrungen ihres weitgereisten Lebens, verbindet Einflüsse verschiedenster musikalischen Kulturen und verfällt trotz grosser Virtuosität nicht dem ‚mehr ist besser‘, sondern formt mit entsprechend kultivierter Begleitung durch Bass und Drums eine sensible, poetische Variation aus der Abteilung Piano Trio.
Zum Finale was um Liebe und Fantasie. JOANNA WALLFISCH und ihre 5-köpfige Band verbinden auf „All in Time“ Vorlieben für Jazz und Folk/Songwriting zu überwiegend romantischen Balladen zwischen allen Stühlen. Natürlich singt Frau selbstkomponierte Titel am überzeugendsten, noch besser, wenn sich die Kollegen in der Combo komplett in die Musik einbringen und sich in ihr wiederfinden. Ähnlichkeiten zu Kate Bush oder Tori Amos muss m/f hören wollen. Sehr schön!