Von Günter, 30.08.2023

JONAS HELBORG/ MAINZ 04/ ARTHUR POSSING/ TRYON/ ALFREDO RODRIGUEZ/ HELGE LIEN TRIO & TORE BRUNBORG/ FJARILL

Über Stoff ‚von der Stange‘ liest m/f auf dieser Seite ohnehin nicht oft, in dieser Woche sind allerdings ein paar extra Sperrige dabei.

Beginnend mit einem Oldie. Bereits in den 80ern aufgenommen, erscheint jetzt ein Live Album des Seinerzeit hippen Bass-Spielers JONAS HELBORG. Auf seinem „Concert for Europe“ wird er unterstützt vom damals noch lebenden Ginger Baker (drums) und Bernie Worrell an Keyboards. Fusion Jazz der Zeit mit intensivem individuellen Einsatz.

MAINZ 04 ist kein Fussballteam, sondern ein Saxofon Quartett. Sopran-, Alt-, Tenor- und Bariton sind auf „Faces“ dabei. Gespielt von 2 Frauen und 2 Männern, ausgewogen in der Besetzung, komponieren und arrangieren sie. Und improvisieren, lassen ihren Ideen innerhalb der Kompositionen ziemlich freien Lauf. Spannend und vielschichtig, musste mich jedoch erst langsam einhören.

Nach vier Bläsern jetzt ein Klavier allein. 4 der 13 Titel sind nicht von ARTHUR POSSING, sondern von Sting, E. Legnini und Edu Lobo/Chico Buarque. Mit den kurzen Interludes schafft er ein wenig Raum zwischen seinen melodisch eingängigen und eher kurzen Titeln, öffnet die Ohren für neue Stimmungen. Die genannten Adaptionen spiegeln sein Interesse an Musik ausserhalb seines hauptsächlichen Aufgabengebiets Jazz und sind Teil seiner „ID:entity“.

Der Titel „Freaky Squash Baby“ des Albums lässt schon einiges vermuten. Das Berliner Projekt TRYON, 13 Mann/Frau hoch plus Gäste, arbeitet, groovt und improvisiert sich durch 8 zum Teil sehr lange Tracks. Wechselnde Stimmen, schneller wechselnde Rhythmen und gewagte Harmonien bestimmen das Bild. Verwandtschaft zum Zappa der ausklingenden 60er ist nicht unbeabsichtigt, streckenweise klingt der späte King Crimson im Vergleich wie eine gemütliche Altherren-Combo.

Alfredo Rodriguez – Teil der Combo

Pianist ALFREDO RODRIGUEZ stellt sich auf seinem „Coral Way“ nicht selbst in den Vordergrund, sondern agiert im z.T. grossen Ensemble mit Bläsern, Perkussion und auf 2 Titeln sogar mit SängerInnen als Teil der Gruppe. Deshalb finden sich in den karibisch/brasilianischen Arrangements knackige Bläsersätze und Solo-Spuren auf gekonnten Rhythmuswechseln, instrumental intensive Phasen und eher entspannte, ruhigere Passagen. Alles sehr präzise auf den Punkt gebracht, aber nach gut 30 Minuten schon vorbei.

Helge Lien Trio – Angemessene Würdigung

Für seinen „Funeral Dance“ hat das sich HELGE LIEN TRIO mit dem Saxofonisten TORE BRUNBORG verstärkt. Die 10 Titel dieser CD widmet er seinem verstorbenen Lehrer und Mentor Misha Alperin. Wie zu erwarten, ist die Stimmung über das gesamte Album eher gebremst, was die Beteiligten jedoch nicht daran hindert, ihre gesamte Klasse und Erfahrung, Intuition und Interaktion in die Tracks einfliessen zu lassen. Nordisch in Tonfall und Harmonie, weltoffen in Klang und Ausführung. Eine angemessene Würdigung.

Fjarill – Faszinierend

Die Musik von FJARILL in kurze Worte zu fassen, ist nicht leicht. Für Album Nr. 10 „Walden“ haben sich Aino Löwenmark und Hanmari Spiegel die Rhythmusgruppe des Tingwall Trios, Jens Thomas am Piano und H.-G. Spiegel mit seinem Akkordeon zur Unterstützung auf einigen der 11 neuen Titel dazu geholt. Die filigranen Kompositionen schweben zwischen nach Folklore klingenden Harmonien, klassischen Einflüssen, etwas Populärkultur und jazziger Spielweise. Besonnen und ruhig fliessen die Lieder dahin, in diversen Sprachen gesungen und immer dezent und passend instrumentiert. Zeit nehmen, hören, Augen schliessen und an irgendeinem unerwarteten Ort dieser Welt ankommen. Faszinierend.

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