Von Günter, 22.11.2023

DHALGREN/ APHROSE/ CHERRY BANDORA/ JOEY ALEXANDER/ DOMINIC DALCAN/ PURE DESMOND/ GERI ALLEN & KURT ROSENWINKEL

Dhalgren – Nicht mehr so düster

In dieser Woche vorweg mein persönlicher Favorit. Der aus dem freien Jazz Umfeld bekannte Chris Dahlgren legt mit seinem Projekt DHALGREN seine 3. Variation als Sänger und Songschreiber vor. „Got Milk“ kommt nicht so düster daher wie der Vorgänger. Ungewöhnliche Akkordfolgen und ebenso ungewohnte harmonische Wendungen gibt es gleichwohl, dazu trägt er mit sanfter Stimme seine Erfahrungen der letzten Jahre vor, streift mit seinem optimistischen Ausblick sogar mal den Bossa, lässt aber seinen KollegInnen in der Band sehr viel Raum zur Entfaltung, seien es typgeprüfte Gitarren-Töne, Vibraphon oder Cello vom Chef selbst. 100% (Ohr-) wurmfrei mit anhaltender Tiefenwirkung.

Aphrose – Neu in Soul & R’n‘B

Mit der kanadischen Sängerin APHROSE gleich noch jemand, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Auf ihrem Debut „Roses“ trifft sie für den variablen Background zwischen Neo Soul, R’n‘B, klassischem Soul und dezenten Hip Hop Beats den jeweils passenden Tonfall mit der dazu gehörenden Emotionalität. Klar oder, bei selbst verfassten Texten, zu denen ihr Team die entsprechenden Harmonien und Grooves, programmiert oder konventionell, beigesteuert hat? Vom tanzbar flotten ‚Yaya‘ zu ‚What you don’t see“ allein zur elektrischen Blues-Gitarre. Kompliment!

Jetzt kommt Leben in die Bude. Das Berliner Bouzouki Quintett CHERRY BANDORA bedient sich aus der reichen Musikkultur der Mittelmeer Anrainerstaaten. Griechische, türkische und hebräische Tradition arbeitet es in seine dynamischen Eigengewächse, zumindest Eigen-Arrangements ein. Mit Sängerin, Tasten/Flöte, Bouzouki, Bass und Drums macht es ein ordentliches Tempofass auf, das auch psychedelische Momente und sogar Surfklänge nicht vermeidet.

Vom Jungstar am Piano zum gereiften Komponisten. JOEY ALEXANDER und seine Mitstreiter an Bass und Drums spielen auf „Continuance“ sieben eigene Werke des Leaders. Alle genügend lang, um neben den handwerklichen Fähigkeiten der Beteiligten auch deren fein austariertes Zusammenspiel zu demonstrieren. Besonders in mein Ohr gehen die 4 Tracks, auf denen der hervorragende Trompeter Theo Croker die Harmonien mit seinen Melodien verfeinert.

World Music, begrenzt auf den nahen und mittleren Osten bietet DOMINIC DALCAN auf seinem „Last Night a Woman saved my Life“. Als versierter Filmkomponist, Programmierer und Sound Designer mischt er hier synthetische Sounds mit konventionellen Instrumenten des Orients und als wichtigste Zutat vornehmlich Sängerinnen vom Sudan bis Algerien, von Ägypten bis Libanon. Namentlich in unseren Breiten eher unbekannt (Ausnahme Souad Massi), aber mehr als bemerkenswerte Stimmen. Das zusammen macht aus diesem technoid/traditionellen Unterfangen ein musikalisches Überraschungspaket mit grossen inhaltlichen Übereinstimmungen der Aufführenden.

Zum 100 Geburtstags des Saxofonisten Paul Desmond hat das Quartett PURE DESMOND (sax,g,b,dr) sein neues Werk simpel „100“ genannt. Als Geburtstagsgeschenk oder Hommage interpretieren sie Stücke von Paul, Brubeck und anderen Komponisten in edler beinahe kammermusikalischer Ästhetik, mit kontrollierter Emotion, im Schongang für die Ohren.

Geri Allen & Knut Rosenwinkel – Perfekte Harmonie

Am 4. d.M. gab es in Paris das Tribut Konzert zu Ehren von Geri Allen, gespielt von Kurt Rosenwinkel, Gerald Clayton und Jana Herzen. Morgen (24.11) erscheint erstmalig das Konzert von GERI ALLEN & KURT ROSENWINKEL aus der Pariser Philharmonie (2012) unter dem Titel „A lovesome Thing“. Piano und Gitarre, gespielt wie aus einem Guss. Die ungewöhnlich stimmige Chemie zwischen den beiden und der Klang des Konzertsaals schaffen ein unvergessliches Erlebnis.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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