Von Günter, 07.02.2024

ABDULLAH IBRAHIM/ CLEMENS GOTTWALD/ ALEX CONTE/ PST !/ LEHMANNS BROTHERS/ MADI DIAZ/MANU DELAGO

Abdullah Ibrahim – Ein ganzes Leben

Für die 1. dieser Woche braucht es eine Zeile mehr. Auf 2 CDs bzw. 3 LP kommt neues von ABDULLAH IBRAHIM (aka Dollar Brand). Piano solo oder im Trio. 6 Titel mit technischem Aufwand im Studio ‚direct to Tape‘ aufgenommen plus in ‚High Resolution‘ digital 13 Titel Live. In seinen mittlerweile 90Jahren ist ihm die Inspiration nie ausgegangen. Auf „3“ schöpft er aus den Quellen seines Musik-Lebens. Blues, Gospel, ein wenig Klassik und ganz viel Melodie á la Ellington scheinen durch. Keine Fingerübungen, jeder Ton wohl gesetzt, was auch für seine 2 Sidemen an Bass/Cello und Flöte gilt. Für mich eine Sternstunde des Piano im Jazz. Und sehr erfreulich ausserdem, sein ‚Good News from Africa‘ im Duo mit Bassist Johnny Dyani aus 1973 gibt’s seit neuestem wieder als LP.

Zu einem ganz anderen Instrument. CLEMENS GOTTWALD spielt Posaune. Begleitet und dabei unterstützt von Bass, Piano und Drums plus E-Gitarre auf 4 der 8 selbst geschaffenen Titel. Zeitgemässer moderner Jazz, nicht frei, aber mit reichlich Spielwiese für die Beteiligten. Nicht nur im gemächlichen Tempo unterwegs, wobei für mich allerdings die eher balladesken Stücke herausragen.

Alex Conte – Zwischen allen Stühlen

Der hier sitzt mit seinem gross besetzten kleinen Orchester zwischen allen Stühlen. 10 köpfig plus stellenweise 3 Gäste mischt er für sein „ALEX CONTE Y LOS INDULTADOS ohne Berührungsängste spanische Stierkampf-Arenen-Musik mit natürlich Flamenco, Latin Rhythmen, Rock und nicht zuletzt Jazz. Da reicht die erzeugte Stimmung von Trauer über Herzschmerz zu Übermut, raffinierten Bläser-Einsätzen und ausgeprägten solistischen Einlagen. Selbst eine solo Flamenco Gesangseinlage bremst den energischen Fluss dieser Banda nicht. Hören!

Zurück zum Trio. PST ! glänzt mit 3 nicht nur im Jazz erfahrenen Musikern an Keys, Bass und Drums plus Elektronika. Zusammen erzeugen sie auf „Breaking News“ Rhythmen und Sounds die zwischen freier Improvisation und erkennbaren Grooves pendeln, zerlegen Harmonien, streuen passende elektronische Geräusche ein und finden immer wieder zur gemeinsamen Basis zurück. Schwierig aber spannend.

Die Frage ist, sind die LEHMANNS BROTHERS zu spät oder zu früh mit ihrer dynamischen Mischung aus Rock und Funk Elementen, etwas Old School Rap und ein ganz klein wenig Pop. Zu dritt, mit Git, Bass, Drums und Keys lassen sie in meinem Kopf 80er Jahre Funk plus Rock (oder umgekehrt) mit knackigen Grooves aufleben, geben dem Mix durch ihre geerdete Energie auf „Playground“ einen frischen Kick, der leider nach 35 Minuten schon vorbei ist

Die Welt ist voll von ‚in oder out of love‘ Songs. Allerdings wird in den wenigsten so direkt und emotional formuliert, wie es MADI DIAZ auf ihrem aktuellen Werk „Weird Faith“ tut. Sehr persönlich (natürlich!), von hauchzart zur akustischen Gitarre oder Piano bis kräftig rockender Hintergrund-Mannschaft und entsprechendem Stimmeinsatz. Sie zerfliesst nicht in Weltschmerz, hält auch bei nicht so guten Umständen den Kopf oben. Sensibel, nicht weinerlich.

Manu Delago– Manu Delago fast sakral

Zum Finale wieder eine extra schöne. MANU DELAGO, ‚Meister des Hang‘, dieses eigenwillig klingenden Korpus aus Stahl. Für „Snow from Yesterday“ (nicht übersetzen!) hat er ein Ensemble zusammengestellt aus Kontrabass, 5 Blasinstrumenten und Sängerin. Ruhig fliessend, beinahe sakral klingen diese 11 Exkursionen in seine Klangwelten, die in den Köpfen der Hörenden unterschiedlichste Bilderreihen auslösen können. Empfohlen als letzte Platte des Tages.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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