Von Günter, 21.09.2011

PATTI SMITH/ PEARL JAM/ JAMAICAN FUNK EXPERIENCE/ JASMIN TABATABAI/ CHOPIN IN MY MIND/ ANA POPOVIC/ JOHN MARTYN/ JOHNNY BOY WOULD LOVE THIS

Geht ab, ohne Dreadlocks!.

Das war es dann mit unserem Nicht-Sommer. Für die kommende Indoor-Zeit rüstet die Tonträger-Industrie jetzt ordentlich auf mit Rückschauen (Best of’s etc.), sogar von Bands und Künstlern, zu denen das im Grunde gar nicht passt, denn wenn einzelne Tracks aus ehemaligen (ob so eingestuft oder nicht), konzeptionierten Alben, nach welchem Muster auch immer, selbst wenn von sie Band / Künstler selbst ausgewählt werden, neu zusammengepackt werden, ist das Ergebnis zumindest für den und die Fan meist nicht wirklich zufriedenstellend. Erstens nichts Neues und zweitens eher die gefälligen Titel, die nicht immer die „besten“ waren. Ob PATTI SMITH „Outside Society“ oder PEARL JAM „20“, das größte Plus, das ich daraus ziehen kann ist, dass diese Produkte auch als LP aufgelegt werden, gab es doch lange Zeit kaum die Chance, das Material von Vinyl zu hören. Trotzdem empfehle ich die Original-Alben, zumal es die fast alle für ganz wenig Geld auf CD neu gibt!
Ganz sicher zuerst auf Vinyl gab es die Tracks, die PORTISHEAD DJ ANDY SMITH für die mittlerweile 10. Folge der „…Funk Experience Serie“ aus dem Hause NASCENTE ausgegraben hat. Der genaue Titel „JAMAICAN FUNK EXPERIENCE“ gibt den Beat vor. Spät 60er bis in dieses Jahrtausend, 21 Tracks, die sich weniger an Ras Tafari orientieren, als an JAMES BROWN. Dementsprechend auch wenige Namen, die m/f aus dem Roots Umfeld kennt, der größere Teil konnte nie glaubhaft unter „Reggae“ vermarktet und deshalb wohl nur auf der Insel verkauft werden. Natürlich regiert auf einer Platte aus Jamaika der typische Offbeat, aber hier eben überwiegend in seiner stark Funk affinen Variante. RICO, FAMILY MAN BARRETT oder BYRON LEE sind vielen sicher ein Begriff, aber die VERSATILES, COUNT MACHUKI und BUSTER PEARSON? Kurze Tracks, prägnante, knackige Riffs, wohlbekannte und genauso viele ungewohnte Varianten. Die wird mir im vernebelten November ein ordentliches Kontingent an virtuellen Sonnenstrahlen verpassen!
Wenn ich dann mal gar keine Lust habe, meinen Kreislauf zu beschleunigen, spiele ich JASMIN TABATABAI’s neue Platte „Eine Frau“. Ganz ruhig, Chanson-haft, aber mit raffiniert jazzigen Arrangements von DAVID KLEIN (erinnere „My Marilyn“!!), die auch die zum Teil verwendeten Berlin Klassiker von HOLLAENDER etc. wieder frisch klingen lassen und geschickt vom unbedingten Willen zum Reim ablenken. Feiner Bar Jazz mit Gesang, mit positiver Betonung!
So ganz mein Ding ist „CHOPIN IN MY MIND“ nicht. Der musikalische Werbeträger des NASSAU BEACH CLUB auf Mallorca chillt sehr wohlklingend harmonisch auf mittlerem Tempo vor sich hin, die Tracks an Kompositionen von Herrn Chopin angelehnt. Ist wirklich total schön, mir trotz JAMES BRIGHT, D’MOOVE und einigen anderen „guten“ Namen etwas zu nahe an Wellness.
Handfester wird es mit der neuen, bereits 6. Platte von ANA POPOVIC „Unconditional“. Sie singt, spielt Gitarre und hat den Blues. Natürlich kommt auch sie nicht um die Demonstration geschickter Fingerübungen herum, hat aber im Gegensatz zu vielen ihrer männlichen Konkurrenten nicht den Drang zum Hard Rock. Ob langsam swingend oder uptempo rockend, sie trifft sowohl mit Stimme, als auch mit Instrument den richtigen Ton und umschifft die Genre-üblichen Stereotypen ziemlich geschickt. Und hat mit SONNY LANDRETH einen vielseitigen Helfer an ihrer Seite.
Zum Schluss wieder eines meiner persönlichen Faibles. Seit seiner „Bless the Weather“ Platte aus den frühen 70ern bin ich JOHN MARTYN Fan (nicht Freak oder Sammler!). Bis zu seinem Tod im Jahre 2009 legte der scheinbar „schwierige“ Charakter regelmäßig neue Platten vor. Highlights der Branche und auch schwächere. Jetzt 2009, liegt „Heaven and Earth“, das letzte Album, an dem er arbeitete, fertig produziert vor. Etwas geradliniger im Rhythmus (selten flott), als seine besten Werke, aber schon wegen seiner raffiniert einfachen Kompositionen, der Stimme, Texte und der Gitarrenarbeit mindestens hörenswert. Und interessant genug, nicht nur für Fans.
Parallel dazu erscheint die Doppel CD plus DVD „JOHNNY BOY WOULD LOVE THIS“, ein Tribut-Album. „Große“ Namen erweisen ihm die Ehre (ROBERT SMITH, SNOW PATROL, BETH ORTON, PAOLO NUTINI, sogar die Oldies JUDIE TZUKE und MORCHEEBA. Das ist gut so, und hat JOHN MARTYN auch verdient. Die wirklich positiven Überraschungen finden sich zumeist auf Platte 1 dieses Sets. DAVID GRAY, LISA HANNIGAN (Obacht!), SWELL SEASON und noch einige andere, die der und die geneigte MusikfreundIn vermutlich noch nicht auf dem Plan hatte, liefern Versionen ihrer Lieblingstracks, die auch den Erfinder mit Sicherheit begeistern würden. Wäre schön, wenn diese Würdigung den Namen JOHN MARTYN’s lebendig halten und einige seiner CDs, die es fast alle für ganz wenig Geld gibt, in die Wohnzimmer dieser Republik trügen. Hört mal hin! Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de


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