Von Günter, 17.10.2012

DONALD FAGEN/ TIM MAIA/ HEIDI MARIE VESTRHEIM/ LO‘ JO/ BRENDA BOYKIN/ TERAKAFT/ DEACON BLUE

Ja, ist richtig. Der DONALD im FAGEN schreibt sich nach wie vor mit einem ‚D‘ vorn und einem hinten. Seit dem 12. gibt es seine womöglich letzte CD (oder Doppel LP) „ Sunken Condos“. Ich habe sie noch nicht hören können, werde sie aber sicher lieben. Schließlich gibt es außer DYLAN und ZAPPA keinen anderen Musiker, der meinen Blick auf die Welt (nicht nur der Musik) vergleichbar beeinflusst hat. Noch einmal: Pflicht-Check, nicht nur für Erwachsene.

ChinChin’s Finest!

Ähnlich wichtig für die Soul-Musik in Brasilien war (ist 1998 gestorben) TIM MAIA. Wer, außer DAVID BYRNE und sein LUAKA BOP Label wären Willens und in der Lage eine kompetente Werkschau zu erstellen? 15 Titel aus der wechselhaften Karriere eines echten Musik- (Soul-) Junkies. In den 70ern feierte er seine größten Erfolge, angestachelt von der Musik der Brüder aus dem Norden. Entsprechend zeigen seine Songs erkennbare Verwandtschaft mit BOBBY WOMACK, STEVIE WONDER oder CURTIS MAYFIELD und klingen heute, im Zeitalter des Retro-Soul frischer und groovier, als die meisten Neuproduktionen. Der Höhepunkt ist für mich der letzte Track, 12 Minuten lang und mindestens so ein Tanzbodenkracher, wie DONNY HATHAWAY’s „The Ghetto“. Übrigens auch auf Doppel-LP.


Mehr Blues aus der Wüste

Sehr viel ruhiger klingt HEIDI MARIE VESTRHEIM’s „I want to go“. Sehr sparsam arrangierter Songwriter-Pop, mit schöner klarer Stimme gesungen und mit sehr einprägsamen Harmonien versehen. Einmal mehr Schönes aus Norwegen, ich denke manchmal (Optimist!), dass es dort für Kultur Schaffende möglicherweise ein fruchtbareres Umfeld gibt. Was allerdings auch nicht hilft, hat man, in diesem Fall Frau, nicht die richtigen und guten Ideen selbst, und weiß auch noch, wie sie am Ende klingen sollen. Ernster, durchaus kritischer Blick auf die Welt, gepaart mit einem Gespür für eingängige Melodien und dazu ein absolut unaufgeregter Gesangs- und Instrumental-Vortrag.


Nostalgie? Nein, sentimental!

Auch an anderen Stellen wurde das wirklich ‚Welt-Musik‘-Album des in Frankreich beheimateten Ensembles LO‘ JO schon gelobt. „Cinema el Mundo“ beschreibt den Inhalt ganz gut. Zwischen modernem, beinahe poppigem Chanson, der genialen Einfachheit eines MANU CHAO, orientalischen Momenten und u.a. Walzertempo erschafft das Sextett (2 Frauen, 4 Männer) einen sehr eigenen kleinen musikalischen Orbit, der auch nach wiederholtem Hören mit kleinen Überraschungen aufwartet und immer wieder neu entschlüsselt werden kann. Nicht einfach nur Traditionelles aus wasweißichwo mit etwas Pop, sondern wirklich Weltmusik. Und ganz sicher kein Zufall. Sehr Entdeckenswert!


Entdeckt werden muss BRENDA BOYKIN sicher nicht mehr. „All the Time in the World“ ist bereits das 2. Album unter eigener Regie, außerdem singt sie u.a. auf beinahe allen wichtigen Veröffentlichungen des Wuppertaler CHINCHIN Labels. Hier zeigt sie die gesamte Bandbreite ihres Könnens, von Neo-Swing über Latin und 60ies Souljazz zu sanften Easy Listening Nummern. Für alles hat sie das richtige Temperament und die richtige Stimmlage parat. Damit das Ganze auch musikalisch Hand und Fuß hat, wirken u.a. JAMES TAYLOR an der Orgel und BEBO BEST als Arrangeur und gelegentlicher Gesangspartner mit. Zusammen mit KOJATO und GABIN vielleicht die beste CD des Labels in diesem Jahr.

Wer seine TINARIWEN Sammlung bereits auswendig pfeift, kann sofort etwas Abwechslung bekommen: TERAKAFT, 2. Album „Kel Tamasheg“, gleiche (etwa) Herkunft, sehr verwandter Stil. Blues aus der Wüste. Meist um ein einprägsames Gitarrenthema geflochtene Songs, die oft nur für einen kurzen Refrain das Grundthema verlassen. Mit unwiderstehlich gleichmäßigem Rhythmus bewegen sich die Songs vorwärts und ziehen die Hörer in den Bann. Unbedingt vergleichbar mit den langen Boogie-Exkursionen eines JOHN LEE HOOKER, die sich mir seit gut 40 Jahren als die spannendste Monotonie meines Lebens eingeprägt haben. Musik, auf den ersten Blick so karg, wie das Land ihres Ursprungs, aber so lebendig, wie das Treiben in der Oase am Ende des Kamel-Ritts.

Nostalgie? Nee, nur manchmal sentimental. Deshalb freue ich mich sehr über ein neues Album von DEACON BLUE. Deren Hochzeit war zugegegeben in den 80ern, sie haben sich auch nicht erwähnenswert geändert (verändert schon…), „The Hipster“, wie sie das Album nennen ist genau das, was sie am Besten können: Leicht melancholische Songs mit tollen Melodien und dem unnachahmlichen mehrstimmigen Gesang. Das klingt heutzutage ein wenig ‚Out of Time‘, ist nicht modisch, sondern Modern und wird deshalb mit Sicherheit auch in 5 Jahren noch mein Herz erfreuen.

Das alles kann m/f ansehen, anfassen, anhören und sogar kaufen in jedem gut geführten Plattenladen, wahrscheinlich auch im Internet, aber ganz sicher am 3. November und dann an jedem Samstag (bis Jahresende) (Ausnahme 10. November, da ist Notdienst, auswärts) von 11.00h bis 15.00h in der BREITEN GASSE 1, Anzeigenannahme der NA DANN, wo die MUSIKaPOTHEKE ihre Tür öffnet und noch ganz andere „Schätze“ ans Licht des Tages zerrt. Ich hoffe, wir sehen uns da!
Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de

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