Von Günter, 17.07.2013

JULIE LONDON/ LORD MOUSE AND HIS KALYPSO KATZ/ FLAVIA COELHO/ NICO GOMEZ AND HIS AFRO PERCUSISION INC./ RODRIGO LEAO/ WAVEMUSIC 19

Klasse Auswahl ansprechend verpackt

Wer in den Tagen vor dem 10.7. gelegentlich 1LIVE gehört hat, weiß, warum der zwischenzeitlich aufgequollene ROBBIE für mich eines der Synonyme für das Verkommen von Musik zu industrieller, stereotyper Unterhaltung ist.


Brasilianische Sommerklänge aus Paris

Hier gibt’s wieder ein paar von denen, die jetzt noch wünschen, dorthin zu kommen, bis dahin aber noch das Risiko des leeren Kühlschranks eingehen. Dieses Problem hat JULIE LONDON sicher schon lange nicht mehr. Das eine oder andere Faible gönne ich mir, und die Neuauflage ihrer „Sings Latin in a Satin Mood“ auf einer CD mit „Swing me an old Song“ ist mir den Platz auf dieser Seite wert. Großartig dezente Orchester-Arrangements, auf der ‚Latin‘ mit betonter Perkussion und diese Stimme, mit der sie mir auch das Telefonbuch vorsingen könnte… Wohl denen, die noch genießen können.


Karibik-Fieber aus Berlin

Die Sonne bringt sie an den Tag, meine seit einiger Zeit gehortete ‚Welt‘- Musik-Auswahl. LORD MOUSE und seine KALYPSO KATZ, in Berlin ansässig, aber karibisch infiziert, machen auf „Go Calypsonian“ den Anfang mit ihrer sehr traditionell intonierten Variante Calypso. Im Vergleich zur karibischen Version etwas weniger direkte politisch oder soziale Aussage, dafür musikalisch mit allen Wassern gewaschen. Feine Bläser, perlendes Piano, eine gut eingespielte Rhythmusgruppe und fast alle Titel selbst ausgedacht. Wer RADIO GRENZENLOS (11.7.) oder GLOBAL JOURNEY (16.7.) gehört hat, kennt schon ein paar Takte und wackelt vermutlich heute noch mit den Hüften.


Der Hüftschwung kann bleiben, die Musik wechselt. Fette Sommerklänge von einer Brasilianerin, die in Paris lebt. Den eingeweihten verrät der Titel schon, worum es geht: „Bossa Muffin“. Brasilianisches Lebensgefühl auf karibischem Rhythmus. Flotte Ragga-Beats, die an die Zeit erinnern, als programmierte Rhythmus-Maschinen noch nicht bis Jamaika exportiert wurden, Bläser-Figuren aus der Ska-Ära und dazu FLAVIA COELHO’s Gesang, der ausgesprochen frisch und unverkrampft ihrem Spaß an diesem Gebräu Ausdruck gibt. Durchaus vergleichbar mit dem jugendlichen Übermut der ersten Platte von ZAZ.

Ganz weit nach hinten greife ich mit NICO GOMEZ and his Afro Percussion Inc. Schon Anfang der 70er in den Niederlanden aufgenommen, jetzt wieder entdeckt und bei Mr. BONGO neu verlegt. Afro ist etwas geschwindelt, richtiger währe Latin, denn das Album erinnert mich in Instrumentierung und Arrangements deutlich an SANTANA’s „Abraxas“. CARLOS‘ exzellente Gitarrenarbeit wird zwar nicht erreicht, aber Groove und Timbre stimmen absolut. Allerdings hätte keine Version von „El Condor pasa“ drauf sein müssen….

Tanzpause! RODRIGO LEAO hat in den vergangenen 20 Jahren mit und ohne MADREDEUS schon einige wundervolle Platten aufgenommen. Aus seinem Solo-Schaffen plus einiger neuer Titel gibt es jetzt die Zusammenstellung „Songs 2004-2012“ auf denen er seine bevorzugten ‚Lieder‘ mit sehr ausgesuchten Gast-SängerInnen präsentiert. Auf diesen Tracks verdichten sich seine sehr Filmmusik-artigen Kompositionen zu sehr einprägsamen Melodien, denen die eingeladenen Stimmen das Sahnehäubchen aufsetzen. NEIL HANNON, BETH GIBBONS, SCOTT MATTHEW, JOAN AS A POLICE WOMAN u.a. sind nicht die (s.o.) umjubelten Hit-SängerInnen, sondern die zur jeweiligen Stimmung des Songs passenden Interpreten, die jede/r auf seine oder ihre Weise dem Song die individuelle Note geben. Kunst kann auch von Können kommen.

In einer Zeit, in der die Mehrheit Musik am Liebsten umsonst haben möchte, ist es sehr gewagt, eine Doppel CD aufzulegen, die wirklich so viel kostet, wie 2 teure neue CDs. Das Team von WAVEMUSIC weiß allerdings, was es tut. Dann bleibt die Auflage und der Kreis der Genießer von „WAVEMUSIC 19“ eben klein. Und zusätzlich zur sehr geschmackvollen (optisch und haptisch!) Verpackung finden sich 28 mit viel Gefühl ausgesuchte Titel, die m/f auf anderen ‚Lounge‘ Kompilationen vergeblich sucht. CD1 in der Grundstimmung Soul mit z.B. MAYER HAWTHORNE und MARIO BIONDI, bewegt sich langsam über Afro- und Latin-Rhythmen zur 2. Platte, die deutlich dem Thema Brasil gewidmet ist. Nicht zwingend Bossa, aber die ist auch dabei.
Überwiegend sehr junge Titel, von wenigen ‚Klassikern‘ abgesehen und ganz viele Namen, von denen nur wenige Menschen Platten im Schrank haben. Es sei denn, sie lesen OHRENSCHAUCH..(!!). Dann sind Ihnen PAPIK, LIANNE LA HAVAS, ANDREA BALDUCCI oder auch die BAND BLACK RIO nicht fremd. Zugegeben teuer, aber jeden Euro wert!
na dann... Tschüß!
i.m.trend@muenster.de

All das und noch viel mehr gibt es ab sofort jeden Samstag von 11-15h in der Musik-apotheke in der Breiten Gasse 1 (Anzeigenannahme der na dann…). Herzlich willkommen!

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Günter Günter

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