Von Stefan Bergmann, 19.07.2017

Wer spüren will, wie es die Grünen in Münster gerade zerreißt, der muss nicht lange suchen

Ein Blick auf die Homepage genügt. Hier: Eine wortreiche knallharte Erklärung, warum Investoren künftig gezwungen werden, 30 Prozent der Wohnungen von Neubauprojekten als billige Sozialwohnungen zu errichten.

Dort: Eine wortreiche butterweiche Erklärung, warum die Grünen einer Milieuschutzsatzung nicht zustimmen. Diese Satzung soll Luxus-Sanierungen von Mietwohnungen verhindern - und die Umwandlung von Miet- in teure Eigentumswohnungen. Sie wurde abgelehnt im Rat. Mit den Stimmen der CDU - und der Grünen.

Dabei ist der Grund für beide Zwangsmaßnahmen der gleiche: Die Mieten sollen bezahlbar gehalten werden in einer Stadt, die Normalverdiener mehr und mehr ins Umland verdrängt und in der nur noch die einkommensstarke Double-Income-no-kid-Schicht die Miete in Innenstadt-Wohnungen bezahlen kann.

Doch der wahre Grund steht nicht auf der Homepage. Die grüne Fraktion will es nicht, weil sie es nicht wollen darf. Weil dann die Koalition mit der CDU platzen würde. Der grüne Kreisverband, einer der eher linkeren im Land, dürfte toben. Mit ihrem Nein zur Milieuschutzsatzung verraten die Grünen ihre eigene Klientel in Münster: Studenten, Familien mit geringem Einkommen, vielleicht auch Senioren mit kleiner Rente.

Minutenlang darf Gerhard Joksch, ehemals Stadtbaurat, im Video begründen, weshalb die Grünen Nein sagen zum Mieterschutz. Das Paradoxon dabei: Eigentlich referiert er minutenlang die (aus grüner Sicht) Vorteile der Satzung. Und ein paar wenige Sekunden lang sagt er dann Nein zur Satzung, weil die Stadtverwaltung meint, sie würde nichts nützen.

Selbst vor „fake news“ schrecken die Grünen nicht zurück, um ihre Seele reinzuwaschen. Das grüne Positionspapier zitiert das Baugesetzbuch. Darin heißt es laut Grüne: Eine Milieuschutzsatzung kann nur angewendet werden, wenn die Stadt städtebauliche Folgelasten zu tragen hat dadurch, dass Menschen aus einem Gebiet wegziehen (müssen). Doch das steht eben nicht in dem von Joksch zitierten Paragraphen. Eher scheint er sich auf eine Untersuchung aus dem Jahr 1993 über die Milieuschutzsatzung in der Stadt Nürnberg zu beziehen. Im Gesetz steht nur: „(…) wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll“. Und da kann man nur sagen: Es gibt kaum bezahlbaren Baugrundstücke, kaum bezahlbare Neubauwohnungen, kaum bezahlbare familientaugliche Quartiere in Münsters Innenstadt - sind das keine städtebaulichen Gründe? Es gäbe (aus grüner Sicht) viele Gründe mehr für den Milieuschutz. Aber diese Gründe würde die grüne Fraktion nur anführen, wenn sie noch in einer Verbindung mit der SPD wäre. - Stefan Bergmann

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