Presseausweis
Von Stefan Bergmann, 10.01.2018
Martin Schiller ist das, was man eigentlich
Martin Schiller ist das, was man eigentlich einen netten Zeitgenossen nennen könnte. Verbindlich im Ton, hat was auf dem Kasten, mit dem kann man bestimmt auch mal ein Bier trinken. Nun gut: Er ist Politiker, kann passieren. Allerdings sitzt er für die AfD im Rat der Stadt Münster. Sowas passiert nicht, sowas sucht man sich aus. Und hier beginnt das Bild vom freundlichen Münsteraner zu kippen.
In Westfalen, wohl auch in anderen Regionen, gibt es den Satz: „Das tut man nicht!“. Eine weitere Begründung für etwas, was man nicht tut, bringt der Satz nicht, außer dass man es eben nicht tut. Jeder Westfale versteht das, jeder Münsteraner.
In Münster jemanden aufgrund seiner Religion oder Herkunft beleidigen? Das tut man nicht. Nicht mit Muslimen, nicht mit Juden und nicht mit allen anderen, die oftmals im Kreuzfeuer stehen. Hintergrund dieser Moralpredigt? Sharon Fehr, Chef der jüdischen Gemeine Münsters, hat sich kritisch über einen Twitter-Post der AfD-Grande Beatrix von Stork geäußert. Sie mokierte sich darüber, dass die NRW-Polizei auf arabisch davor warnt, zu Silvester Straftaten zu begehen. macht Sinn. Ebenso wie es Sinn macht, in Zügen auf englisch, französisch und italienisch zu schreiben, dass das grundlose Auslösen der Notbremse strafbar ist. Darüber mokiert sich von Stork seltsamerweise nicht, obwohl die Bahn eine mindestens genauso erz-deutsche Institution ist wie die Polizei. Die Flüchtlinge nannte von Storch dann noch „barbarisch, muslimisch, gruppenvergewaltigende Männerhorde“ - wovon allerhöchstens das Adjektiv „muslimisch“ stimmt.
Nun ist das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen in der Welt nicht das beste. Wenn dann aber Münsters höchster jüdischer Vertreter die von-Storch-Kritik als „zügellos und menschenverachtend“ bezeichnet, zeigt das eine gewisse Größe. Und dann kommt der nette Herr Schiller ins Spiel. „Es wäre wahrscheinlich auch zu viel verlangt, von Ihnen zu erwarten, dass Sie die große Sorge um unser deutsches Vaterland mit uns teilen. (...) Wahrscheinlich genießen Sie den schleichenden Verfall eines Landes, welches Sie verachten!“, schreibt Schiller. Empörung allerseits und quer durchs Parteienspektrum. So etwas tut man nicht. Weshalb Sharon Fehr den Verfall Deutschlands genießen sollte, wird auch nicht klar. Vielleicht aus Rache für die Vergangenheit? Wir erfahren es nicht. Der Kreisvorstand der AfD nennt die Kritik an Schillers Aussagen „lächerlich, wenn nicht sogar böswillig“. Und sinngemäß: Die AfD wende sich doch nur gegen den importieren Antisemitismus der Muslime. Damit will die AfD Fehr auch noch zum Komplizen machen für den AfD-Ausländerhass - und somit Juden gegen Muslime gegeneinander ausspielen.
Ach, die AfD. Herr Schiller gibt einem ein echtes Stück Hoffnung, dass sich die Partei doch noch selbst ad absurdum führt. Die AfD bekenne sich zu Israel und zu jüdischem Leben in Deutschland. Aber einen Juden beschimpfen, das wird man doch wohl noch dürfen, oder?