Von Stefan Bergmann, 15.08.2018

„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität,

hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. (…) Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Mit diesem (im Internet leicht zu findenden und deswegen um eine höhere Bildung vorzutäuschen untauglichen) Zitat von Sokrates über „die Jugend“ wollen wir beginnen.

Schwadronieren, und das lautstark, das tun die Jugendlichen in Münster immer gerne, und besonders, wenn es warm ist, so wie in den vergangenen Wochen. Das, was Otto-Normal-Münsteraner in mediterranen Gefilden als Ausdruck der puren Leichtigkeit des Seins genießt, wird zuhause dagegen eher als störend empfunden, weil es mit Geräusch verbunden ist. Man kann nicht schlafen, stundenlang, denn durchs geöffnete Fenster dringt die Lebensfreunde ins Schlafzimmer. Wer einschlafen will, der ist genervt vom Singen, Grölen, Flaschen-Zerschmeißen und was sonst noch so zurzeit outdoor getrieben wird.

Es ist der klassische Konflikt der Innenstädte. Ruhebedürfnis contra Feierbedürfnis. Nun kann man sagen: Jetzt seid mal nicht so spießig, Ihr Innenstadtbewohner, die Ihr alle Vorteile des Innenstadtwohnens genießt. Dann muss man auch die Nachteile hinnehmen. Nämlich gut gelaunte Menschen des Nachts. Und den Jugendlichen könnten man zurufen: Feiert doch! Münster brüstet sich mit Euch 48.000 Studenten. Dann muss es Euch auch ertragen, wenn Ihr mal lauter seid.

Wenn es aber Nacht für Nacht und bis in die Morgenstunden dauert - ok, dann kann man mit den Schlaflosen mitfühlen.

Es gibt keine Lösung für diesen Konflikt. Es sei denn, man will die Innenstadt per Ordnungsverfügung in einen nächtlichen Friedhof verwandeln.

Polizei und Ordnungsamt scheinen derzeit den richtigen Weg zu gehen. Erst Ermahnung, dann Platzverweis und Anzeige. Schön wäre es, wenn Überreaktionen von Seiten der Feierfreudigen und der Anwohner vermieden würden. Dazu gehört, bei jedem kleinen Plöpp einer Bierflasche draußen direkt die Polizei zu rufen. Aber auch, beim Feiern draußen - trotz Alkohols und guter Laune - mal an die Anwohner zu denken.

Ach so, nochmal zu Sokrates: Mir ist es egal, ob meine Kinder Süßspeisen verschlingen oder die Beine übereinanderlegen. Da gibt es andere Werte, die mir wichtig sind.

Sokrates hatte zwar oft Recht. Aber nicht immer. - Stephan Bergmann

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