Presseausweis
Von Michael Jung, 26.09.2018
Liebe Leserinnen und Leser, das Mittelmeer bleibt eine Krisenregion.
Liebe Leserinnen und Leser,
das Mittelmeer bleibt eine Krisenregion. Fast täglich stechen dort seeuntüchtige Boote in See, die Geflüchtete an Bord haben. In vielen Fällen endet die Fahrt in der Katastrophe. Im ersten Halbjahr 2018 zählen Hilfsorganisationen über 1.400 Tote. Seit dem Amtsantritt der neuen italienischen Regierung, an der Rechtspopulisten beteiligt sind, erhalten Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen keine Genehmigung zum Einlaufen in italienische Häfen mehr, das ist selbst für Schiffe des EU-Einsatzes „Sophia“ schon vorgekommen.
Auf diese unerträgliche Situationen haben im Sommer die Oberbürgermeister mehrerer nordrhein-westfälischer Städte reagiert: Sie erklärten sich bereit, zusätzlich und über ihre gesetzliche Verpflichtungen hinaus eine Anzahl von Geflüchteten freiwillig aufzunehmen – um damit auch dafür zu sorgen, dass die Rechtspopulisten von der Lega Nord in Italien in Zukunft nicht mehr auf die fehlende Aufnahmebereitschaft europäischer Partnerländer verweisen können. Dieser Schritt hat für viel Aufsehen gesorgt – auch in Münster. Es fiel nämlich auf, dass Münster an dieser Initiative nicht beteiligt war, anders als Städte wie Köln, Bielefeld u.a. Der Oberbürgermeister gab auf Nachfrage Kostengründe dafür an, sich nicht beteiligen zu wollen.
Nun mag man fragen dürfen, ob Münster nicht bereits schon viel getan hat. Das ist richtig. Klar ist aber auch: Die Lage ist inzwischen eine ganz andere als noch 2015. Im ganzen letzten Jahr hat Münster insgesamt 87 Geflüchtete zur kommunalen Unterbringung zugewiesen bekommen. In großem Umfang werden derzeit Kapazitäten zur Unterbringung abgebaut – viele Unterkünfte werden geschlossen. Von daher wäre es technisch kein Problem und nicht mit Mehrkosten verbunden, wenn auch in Münster freiwillig und einmalig bis zu 100 aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen. Über vierzig Initiativen und Gruppen haben sich dafür eingesetzt, dass auch Münster sich der Initiative der NRW-Oberbürgermeister anschließt.
Am 19. September hat der Rat der Stadt Münster leider einen Antrag abgelehnt, dass Münster einmalig hundert Geflüchtete freiwillig aufnimmt – mit der Mehrheit von CDU und Grünen. Obwohl die Grünen sich im Vorfeld für die Maßnahme öffentlich positioniert hatten, haben sie erkennbar der CDU nachgegeben. Früher gab es in Münster einen breiten politischen Konsens, dass Münster mehr für Geflüchtete tut als andere. Als es um Deserteure aus Jugoslawien ging, als es um Roma ging – immer hat Münster in den letzten zwanzig Jahren mehr getan als andere. Jetzt tun andere mehr als Münster. Das ist die neue Mutlosigkeit und Hartherzigkeit in Münster. Aus Angst vor den Rechtspopulisten gibt unsere Stadt eine wichtige Tradition der Mitmenschlichkeit auf.