Von Ruprecht Polenz, 24.07.2019

Ein denkwürdiges Foto,

Ein denkwürdiges Foto, vor zwanzig Jahren so nicht vorstellbar, denn damals wurden solche Positionen ausschließlich von Männern besetzt: die neue Präsidentin der EU-Kommission, die Bundeskanzlerin und die neue Verteidigungsministerin sitzen nebeneinander beim Bundespräsidenten. Inzwischen ist es normal, dass politische Spitzenpositionen in Deutschland auch von Frauen wahrgenommen werden.

Die Kritik, vor allem in Deutschland, an den jüngsten Personalentscheidungen ist Teil dieser Normalität. Ursula von der Leyen sei keine Spitzenkandidatin gewesen und hätte deshalb nicht zur Präsidentin der EU- Kommission gewählt werden dürfen. Die Wähler*innen fühlten sich betrogen, sagten vor allem Sozialdemokraten und Grüne, und verwiesen auf die gestiegene Wahlbeteiligung, die vor allem dem Spitzenkandidaten-Prinzip zu verdanken sei.

Auch die „na dann ...“ hatte für eine möglichst hohe Beteiligung an der Europawahl geworben. Mit Erfolg. Drei von vier Wahlberechtigten hatten in Münster ihre Stimme abgegeben. Die 73,7 Prozent Wahlbeteiligung waren ein Spitzenwert in NRW. Auch bundesweit war die Wahlbeteiligung stark angestiegen und lag mit 61,4 Prozent deutlich über den 48,1 Prozent von 2014.

Es waren allerdings eher weniger die Spitzenkandidaten, die die Wahlbeteiligung nach oben getrieben haben, sondern die Sorge vor einem Erstarken der Rechtspopulisten und europafeindlichen Parteien, gegen die viele ihre Stimme abgeben wollten. Mit Erfolg, denn der Einfluss dieser Gruppierungen bleibt deutlich hinter deren Erwartungen zurück.

Nach den europäischen Verträgen wird der Präsident der Kommission auf Vorschlag des Europäischen Rates vom Europäischen Parlament gewählt. Das Spitzenkandidaten-Prinzip hätte den Staats- und Regierungschefs dieses Vorschlagsrecht genommen. Auch deshalb waren längst nicht alle 28 Mitgliedsstaaten damit einverstanden. Gleiches gilt für viele der kleineren Parteien.

Das Parlament hätte sich nur dann durchsetzen können, wenn es sich auf einen Kandidaten geeinigt und so politischen Druck auf den Rat ausgeübt hätte, genau diesen Kandidaten vorzuschlagen. Aber weder auf Weber noch auf Timmermanns konnte sich das Parlament einigen.

Dass sich der Rat einstimmig auf Ursula von der Leyen einigen konnte, ist ein starker Vertrauensbeweis der Staats- und Regierungschefs. Im Parlament hat sie die erforderliche absolute Mehrheit erreicht.

Die letzten Eskapaden von Trump, die unverminderte Aggression von Putins Russland gegen die Ukraine, die vielen Spannungen innerhalb der EU und der anstehende Brexit erfordern sehr schnell eine handlungsfähige und tatkräftige EU-Kommission. Sie ist die „Hüterin der Verträge“, verantwortlich für den politischen Kurs der Union. Seit über 50 Jahren steht wieder jemand aus Deutschland an der Spitze, zum ersten Mal überhaupt eine Frau.

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