Von Stefan Bergmann, 23.10.2019

Wenn der Michael Jung hier für die SPD schreibt

(und seit kurzem auch wohl für sich selbst als OB-Kandidat), der Ruprecht Polenz für seine CDU (obwohl: so eindeutig ist das oft nicht) und der Arno für seine regenerativen Energien - dann will ich jetzt auch einmal mein Herzensthema herausholen. Generationen von Journalisten haben von Hajo Friedrichs gelernt, dass man sich als Journalist nicht mit einer Sache gemein machen dürfe, auch nicht mit einer guten. Das ist natürlich oft richtig, aber manchmal auch Quatsch. Welcher ernstzunehmende Journalist würde sich nicht gemein machen mit Demokratie, dem humanistischen Wertekanon, der Aufklärung.

Aber zurück zum Anfang. Funky e. V., jene Tanzgruppe aus Münster, die zahllose Preise abgeräumt hat, war neulich im Fernsehen zu sehen. Beim „Supertalent“ auf RTL. Warum geht man da hin? Weil man Talent hat - und die Öffentlichkeit sucht oder braucht. Ach ja, bei Funky tanzen Jungendliche mit und ohne Behinderung. „Inklusion“ nennt man das etwas sperrig. Funky-Chef Hanno Liesner hat daraus „Funklusion“ gemacht. „Wir wollen zeigen, dass es Spaß macht“, sagte er jüngst gegenüber den WN.

Die sind ja nur eine Runde weitergekommen, weil sie einen Behindertenbonus hatten, unkte jemand nach dem Auftritt im Netz. Mag sein, dass der ein oder andere aus dem Publikum so dachte, vielleicht auch die Juroren. Na und? Das kann Funky doch egal sein.

Denen ist sowie vieles egal, und vor allem: Wer aus der Truppe eine Behinderung hat oder nicht. Spaß haben sie alle. Wir angeblich so „Nicht-Behinderten“ sind ja immer ein bisschen verkrampft, wenn wir auf „Behinderte“ treffen. Darf, muss ich helfen? Muss ich Mitleid haben? Muss ich sie in Watte packen, weil sie ja sooo arm dran sind?

Um der lieben Transparenz Willen: Ich bin Botschafter von Funky, dieser Presseausweis ist nicht journalistisch neutral. Ich sehe meine Jungs und Mädels viel zu selten, seitdem ich hier oben in Ostfriesland arbeite. Aber im Herzen bin ich bei ihnen. Weil ich das Funky.-Konzept für das einzige halte, das wirklich funktioniert. Und weil ich sie alle mag. Egal, ob behindert oder nicht: Jeder kriegt genau die Hilfe, die er braucht. Und nicht mehr. Nix mit Watte, nix mit Mitleid. Nur so wird man wirklich allen Menschen gerecht. Denn mal ganz ehrlich: Ein bisschen behindert sind wir doch alle. Haben alle unsere Schwächen, die unser Gegenüber oft auch kennt. Will ich deswegen wie ein rohes Ei behandelt werden? Nein. Was habe ich mich schon rumgestritten mit Menschen, die mit Formulierungen wie „Menschen mit Teilhabeeinschränkungen“ (für Behinderte) alles nur noch schlimmer machen. So werden Menschen zum Opfer sozial-romantischer Brachial-Linguistik. Sie werden zu Objekten, die so arm dran sind, dass man es unbedingt schönreden muss und verkleistern mit angeblich politisch-korrekten Konstrukten. „Positive Diskriminierung“’ nannte das einmal ein Freund von mir.

Aber heben wir mal nicht ab. Wer Funky erleben will, sollte zur Show des Sports gehen am 8. November auf Berg Fidel. Und es sind Initiativen wie diese, die mich hoffen lassen, dass wir irgendwann aus diesem Teufelskreis aus Mitleid und Diskriminierung herauskommen.

Für Anika - die bald auf eine ganz
normale Schule geht :-)

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