Von Michael Jung, 11.03.2020

Liebe Leserinnen und Leser,

dieser Tage gab es eine Erfolgsmeldung: Im letzten Jahr wurden in Münster rund 1750 neue Wohnungen gebaut. Einige feierten das sofort als Beweis einer guten Wohnungspolitik. Aber taugt die Meldung dafür? Zum einen sind es nur die Neubauten – und die Zahl der abgerissenen Wohnungen ist noch nicht ermittelt. Zum anderen kann man aber auch fragen: Was sind das eigentlich für neue Wohnungen? Sind die für Normalverdiener bezahlbar oder Luxuslofts?

Wo die Probleme liegen, kann man derzeit rund um Bahnhof und Hafen beobachten. Da entstehen gerade etliche neue Wohnungen bzw. sollen demnächst gebaut werden. Viele davon sind aber sogenannte „Mikro-Appartements“: Ein-Zimmer-Wohnungen mit etwa 20 Quadratmetern oder etwas mehr. Der Clou (für die Investorenseite) dabei: Diese Mini-Appartements werden „möbliert“ und „all inclusive“ (also „warm“) vermietet. Der Vorteil dabei: So werden die Mieten nicht von den Vorgaben des Mietspiegels oder der Mietpreisbremse erfasst, und es werden auch Quadratmetermietpreise jenseits der zwanzig Euro möglich.

Während beim Metropolis-Hochhaus über diese Praxis noch ein erbitterter politischer Streit mit dem Investor geführt wurde und der Rat mit viel Mühe am Ende über einen Bebauungsplan Grenzen durchsetzen konnte, ist es in der schwarz-grünen Wirklichkeit dieses Jahres rund um den Bahnhof anders: Da wird schnell eine Baugenehmigung für solche Mini-Appartements erteilt, und ein paar Monate später wird dann ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan hinterher geschoben und eine Veränderungssperre erlassen. Eine solche Praxis heißt: die eigentlich politisch vorgesehenen 30 % preisgebundener Wohnraum entstehen hier nicht, weil ja der Bebauungsplan erst nach der Baugenehmigung kam. Das steigert die Rendite – aber es steigert auch die Mieten massiv. Hochpreisige möblierte Mini-Wohnungen für Singles sind keine Antwort auf Münters Wohnungsproblem, und es macht die Sache sicher nicht besser, wenn das gleiche Spiel mit Mikro-Appartements jetzt am Hafen auch laufen soll auf dem ehemaligen Osmo-Gelände.

Wir brauchen in Münster endlich eine konsequente Durchsetzung bestehender Regeln, und das heißt: Wir müssen über die Aufstellung von Bebauungsplänen planungsrechtlich sicherstellen, dass nicht nur irgendwelche Wohnungen entstehen, sondern ein fester Anteil bezahlbarer Wohnungen. Es kann nicht sein, dass einzelne Investoren sich an diese Regeln halten müssen, andere aber erst bauen dürfen, und die Regel gilt erst danach. So wird das Wohnungsproblem in Münster nicht gelöst. Wer bezahlbare Wohnungen will, wird Investoren Regeln setzen müssen. Das werden harte Gespräche – aber das muss sein, wenn Münsters Wohnungsmarkt endlich auch wieder Angebote für Normalverdiener bereithalten soll.

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