Von Arno Tilsner, 05.08.2020

Veränderung, liebe Leserinnen, liebe Leser, ist nicht jedermenschens Sache.

Besonders ältere Zeitgenossinnen und Zeitgenossen stehen im Risiko, rückblickend zu formulieren: "haben wir doch nie so gemacht".

Ich erinnere mich an einen Montagmorgen am Schiller, ich war 17 und gerade von einer Woche 'Bildungsseminar' in Vlotho zurück, für das die Schule, genauer gesagt die Geschichtslehrerin, ihren 'Musterschüler' ausgewählt hatte. An diesem Morgen setzte ich mit einigen Mitschülern um, was ich in Vlotho gelernt hatte: Frontalunterricht ist von gestern, wir stellen die Tische in einen Kreis.

Was uns für diese Aktion fehlte war die Zustimmung der Lehrer. Brauchten wir nicht. Für den Fall aufmuckender Lehrer hatte ich einen dicken Wälzer von den Professoren Reinhard & Anne-Marie Tausch "Erziehungspsychologie" vor mir auf dem Tisch liegen, mit einschlägigen Lesezeichen versehen, so dass ich jederzeit den Stand der Wissenschaft (oder was ich dafür hielt) zitieren konnte. Es war also Montag und die Veränderung war eingetreten.

Statista

Vor einem halben Jahrhundert stand ich entschieden und überzeugt auf der Seite der Veränderung. Uns gegenüber standen Lehrerinnen und Lehrer, die die ungefragte Abkehr von ihrer langjährig einstudierten Praxis (Frontalunterricht) als unerhörte Zumutung empfanden.


Am Freitag, dem 13. März 2020 war es ein Virus, das hier in Münster mit dem Shutdown eine grundsätzliche Veränderung erzwang. Ich rate nicht dazu, die Lieder von den guten, alten Zeiten anzustimmen und sich am Gefühl einer Zumutung zu erschöpfen. Gestern war bestimmt sehr schön. Heute geht es darum, Gegenwart zu den aktuellen Bedingungen zu leben. Tatsächliche Veränderung ist so. Nach heute kommt nicht gestern sondern morgen. Wir sind am Zug. Machen wir noch einmal mehr das Beste daraus. - Arno Tilsner

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