Von Michael Jung, 26.08.2020

Wenn man sich dieser Tage mal

Wenn man sich dieser Tage mal eine politische Meinung anhand der zahlreichen Wahlplakate in der Stadt bilden wollte, dann fällt eines auf: Die FDP spricht davon, dass Staus im Rathaus beginnen. Die Grünen verkünden: „Jetzt machen wir“. Und die SPD sagt: „Endlich einer, der macht“. Und daneben sieht man dann aber noch einen freundlich lächelnden Oberbürgermeister, auf dessen Plakaten nichts mit „machen“ steht und dessen Partei die einzige ist, die inhaltlich nichts sagt: Dann ahnt man schon: Da könnte das Problem sein. Während der grüne Koalitionspartner so tut, als habe er mit den letzten fünf Jahren nichts zu tun und wolle jetzt erst anfangen, ruht die CDU in sich und ist zufrieden mit sich und der Stadt. Alle anderen scheinen dagegen ein Umsetzungsdefizit zu sehen. Fragt man sich, was denn in der Amtszeit von Markus Lewe passiert ist, dann fällt eine konkrete Antwort schwer.
Wenig ist passiert seit seinem Amtsantritt 2009. Die versprochene Gartenstadt mit neuen Wohnungen am alten Stückgutbahnhof? Still und leise beerdigt. Die Kasernenflächen in Gievenbeck und Gremmendorf, wo schon 2017 die ersten Menschen in neue Wohnungen einziehen sollten? Vielleicht 2022. Die Baugebiete an der Eissporthalle und am Wasserweg? Nichts passiert. Das neue Südbad, das Lewe 2009 versprach? Eine Brachfläche. Die Verkehrswende? Ein Gutachten zum Masterplan könnte demnächst mal fertig werden. Ein Klimaschutzkonzept mit Klimaneutralität 2030? Nicht in Sicht. Dafür jetzt aber Wahlplakate: „Münster ist jovel“. Stimmt, aber das liegt nicht an der Arbeitsbilanz der letzten elf Jahre oder der des schwarz-grünen Bündnisses der letzten fünf Jahre.
Und so kann man es vielleicht verstehen, dass jetzt mal Zeit ist, etwas wirklich umzusetzen. Andere Städte haben uns lange überholt – bei neuen Konzepten für den Radverkehr, beim Bau neuer Wohnungen, bei neuen Konzepten für die Bäder und bei der Ausstattung ihrer Schulen mit digitalen Medien. Münster muss aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. Münster muss wirklich hart arbeiten, dass es weiter „jovel“ bleibt – jedenfalls für alle und vor allem für die, die sich die Mieten und Hauspreise in Münster mit ihrem Arbeitseinkommen derzeit kaum noch leisten können. Wenn die Wohnungszentrifuge sich weiterdreht und all diejenigen, die nicht viel geerbt haben, sondern von ihrer Arbeit leben müssen, an den Stadtrand oder aus der Stadt hinausschleudert, könnte es schwierig werden. Wenn wir nicht bald kluge Verkehrskonzepte umsetzen, die Bus, Bahn und Fahrrad stärken und nicht einfach nur die Innenstadt absperren, wird es auch schwierig. Am 13. September haben Sie es alle selbst in der Hand: Sechseinhalb Jahre nach der letzten Wahl könnte es endlich neue Mehrheiten und einen neuen Oberbürgermeister geben, die auch etwas umsetzen. Die Wohnen wieder bezahlbar machen, die Verkehrswende umsetzen und Bildung digital machen. Wär doch mal was.

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