Von Ruprecht Polenz, 04.11.2020

„Liebe Gäste, in was für einen Alptraum sind wir geraten...

Hin- und hergerissen zwischen Angst, Zorn, Hilflosigkeit, Resignation haben wir viel diskutiert, ob und wie wir uns zum neuen Lockdown äußern“, schreibt der Große Kiepenkerl letzte Woche auf Facebook und „fühlt sich ausgelaugt.“

Wer könnte das nicht nachfühlen. Seit Beginn der Corona-Pandemie, also seit acht Monaten, bleiben die Gäste aus. Im Spätherbst wird es zu kalt für die Außengastronomie, die zusammen mit Außer-Haus-Catering manche Gaststätte noch so einigermaßen über Wasser gehalten hat.

Viele haben, wie der Große Kiepenkerl, in den letzten Monaten in Hygienekonzepte investiert. Und jetzt müssen trotzdem alle Restaurants bis Ende November ganz schließen, obwohl doch, wie vielfach eingewandt wird, kaum Ansteckungen in Gaststätten nachgewiesen worden seien.

Das stimmt. Aber warum haben sich Bund und Länder trotzdem zu dieser einschneidenden Maßnahme entschlossen?

Überall in Deutschland sind die Infektionen wieder dramatisch angestiegen. In Münster waren es am Samstag mehr als 100, die sich je 100.000 in den letzten sieben Tagen angesteckt hatten.

Weil sich die Pandemie exponentiell verbreitet, ist es nur eine Frage der Zeit, bis unser Gesundheitswesen nicht mehr alle Menschen behandeln kann, die eine Behandlung brauchen. Das betrifft dann nicht nur Covid-19-Patienten, sondern auch Menschen mit anderen Erkrankungen.

Das will die Politik in unser aller Interesse verhindern. Da sich das Virus von Mensch zu Mensch überträgt, kommt es darauf an, die zwischenmenschlichen Kontakte in Deutschland drastisch, dh um 75 Prozent, zu vermindern.

Gaststätten und Restaurants sind Treffpunkte, Orte der Begegnung. Und damit eben auch Knotenpunkte in zwischenmenschlichen Netzen, durch die das Virus weiterverbreitet werden kann.

Dagegen spricht nicht, dass bisher kaum Ansteckungen aus der Gastronomie nachgewiesen wurden. Denn 75% aller Ansteckungen können leider gar nicht nachgewiesen werden. Die Aussage, dass das Gros der Ansteckungen „im privaten Bereich“ erfolge, basiert eben auch auf der Tatsache, dass sie sich dort besonders gut zurückverfolgen lassen.

Deshalb verfügen die Länder jetzt, dass Restaurants, Theater, Kinos und andere Einrichtungen, wo Menschen sich sonst ungezwungen treffen, im November geschlossen bleiben müssen. Die betroffenen Unternehmen werden dafür finanziell entschädigt. Sie sollen bis zu 75 Prozent des Umsatzes erstattet bekommen, den sie im November 2019 hatten. 10 Milliarden Euro wird der Bund dafür bereitstellen.

„Vergessen Sie uns nicht“, schreibt der Große Kiepenkerl. „Bestellen Sie beim Lieferservice, abonnieren Sie Theatertickets, kaufen Sie Gutscheine, gehen Sie in die Stadt – und geben Sie den vielen Menschen, die so gern für Sie arbeiten, ein Zeichen und einen Sinn.“ - Ruprecht Polenz

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