Von , 13.04.2011

ZEIT-ONLINE zeigt auf einer interaktiven Karte die Standorte aller deutschen Kernkraftwerke. Mit Hilfe eines Schiebereglers kann jede/r für sich um das AKW ihrer/seiner Wahl einen Evakuierungsring ziehen. Wählt man als Münsteraner/In eine 60 km No-go-Area um das von der RWE betriebene Kernkraftwerk Emsland (Lingen), kann man sich weiter fragen, wo man statt dessen die Zelte aufschlagen möchte.

Mit der von einer unbedeutenden Vereinigung von Stadtgärtnern zur lebenswertesten Statt der Welt ausgelobten Westfalenmetropole wäre es auch bei einer 30 km Zone vorbei. Die Stadt der Wiedertäufer und des Westfälischen Friedens liegt die meiste Zeit des Jahres in einer kräftigen Westströmung, die den atomaren Fallout einer nicht wahrscheinlichen - dennoch nicht unmöglichen - Havarie des AKW Emsland nicht kreisförmig um den Unglücksort verteilen sondern mit dem Wind in die Stadt tragen würde.

Panik ist nicht mein Geschäft. Ein Supergau in der Nachbarschaft ist für mich durch Fukushima nicht wahrscheinlicher geworden. Deutlicher vor Augen steht mir allerdings das Szenario für den Fall, dass gegen alle Wahrscheinlichkeit das Restrisiko zu meinen Lebzeiten eintreten sollte. Mit deutscher Gründlichkeit würden ganze Landstriche evakuiert: in einem 30 km Umkreis Lingen, Rheine, Nordhorn, Meppen, Bad Bentheim / bei einem 40 km Radius zusätzlich Ibbenbüren, Emsdetten, Steinfurt, Ochtrup / 10 km weiter auch Greven, Gelmer, Gimpte, Altenberge, um nur einige zu nennen.

Quelle: http://opendata.zeit.de/atomreaktoren/#/de/

In Handorf hätten wir längst die Koffer gepackt. Auch wenn ich in der glücklichen Lange bin zu wissen, wo meine Reise hin ginge, wirft eine derart konkrete Überlegung interessante Fragen auf: was wird aus dem Wert von Grund und Boden, aus den Immobilien, was wird aus der staatlichen Infrastruktur (A1 wird unpassierbar), was wird aus den Baudenkmälern, was wird aus den vielen tausend Unternehmen mit zigtausend Mitarbeiter/Innen?
Eine Million Menschen (!) würden auf Staatskosten in Auffanglagern leben statt in ihrer häuslichen Umgebung. Für alle diese Schäden käme der Verursacher, die RWE AG auf? Nein, keine Betreibergesellschaft ist gegen atomares Risiko versichert. Eine dem Risiko entsprechende Versicherungsprämie würde Atomstrom von heute auf morgen unbezahlbar machen.


Die RWE werkelt also in ihrem AKW tagein tagaus ohne Versicherungsschutz. Das Restrisiko einer Kernschmelze wird - wie überall auf der Welt - skrupellos auf die Menschen in der Nachbarschaft übergewälzt, die sich persönlich nur durch Wegzug davor schützen könnten. Müsste die CDU im Münsterland, Partei der Haus- und Grundbesitzer, der Landwirte, Produzenten und Kaufleute nicht für den unmittelbaren Entzug der Betriebsgenehmigung für das AKW Emsland eintreten? Eine Verdoppelung des Strompreises ist Peanuts gegenüber den Werten, die bei einer No-go-Area mitten in Westfalen unwiederbringlich verloren gingen. - Arno Tilsner

Quelle: http://opendata.zeit.de/atomreaktoren/#/de/

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