Von Arno Tilsner, 06.04.2022

Je länger der russische Angriffskrieg...

... gegen die Ukraine dauert und je brutaler die über Medien verbreiteten Bilder ausfallen, um so mehr wünschen sich viele von uns, diese Gewaltorgie NICHT mit der eigenen Gasrechnung finanzieren zu müssen. Ein Embargo auf russisches Gas, Öl und russische Kohle steht als politische Forderung im Raum. Für den Fall einer Umsetzung müsste die Energie von mehr als 150 Milliarden Kubikmetern Gas aus anderen Quellen geliefert werden.

Bis zum kommenden Winter ist der vollständige Ersatz ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Versorgungslücke wird die Abschaltung von Verbrauchern erzwingen.

Ich erinnere mich noch gut an die Situation am 9. März 2020. In Madrid auf einen Weiterflug wartend fragte ich mich, ob die Stilllegung dieses europäischen Top Ten Flughafens eine Option werden könnte. Meine Antwort: NEIN! Sie war so eindeutig wie falsch. 14 Tage später steckte fast ganz Europa im Lockdown fest. Aus dieser Erfahrung lernte ich: auch wenn wir Ereignisse für unmöglich halten, können sie eintreten.

Ein Energie-Embaro gegen die russische Föderation hätte für Deutschland wahrscheinlich weitreichendere wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen als der Corona-Lockdown vor 2 Jahren. Ich glaube nicht, dass die satte Mehrheit, die in Umfragen diese Embargoverschärfung wünscht, auch die Folgen klar vor Augen hat. Frieren alleine wird nicht reichen.

Was würden wir bei der na dann... am Tage eines Energie-Embargos tun? Erstens: eine zweite Wärmepumpe bestellen. Zweitens: Material kaufen, um die Gebäude in Handorf nach Christo-Art zu verhüllen. Drittens: Solarmodule für eine Gesamtleistung von 100 kWp für Handorf auf den Weg bringen. Viertens: uns den Sommer über mit dem Material eine weitgehende Unabhängigkeit vom Gas für den Winter 2022/23 erarbeiten.

An diesem Punkt zeigt der Gedankengang einen interessanten Aspekt: mehr als 60% der Deutschen wollen den Gashahn zudrehen, um nicht länger diese grauenhaften Kriegsbilder aus der Ukraine sehen zu müssen.

WIR würden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um auch mit zugedrehtem Gashahn im nächsten Winter nicht gassüchtig um Stoff zu betteln. Allerdings: weder die 60% in den Umfragen noch wir sind bisher mit dieser Radikalität der Klima-Krise entgegen getreten, obwohl sie mit ihren unumkehrbaren Auswirkungen Pandemien und Kriege weit in den Schatten stellt. Unser Gedankentrick: wir verlegen die Auswirkungen der Erderwärmung in eine Zukunft, die uns angeblich nicht (mehr) betrifft.

Nachwort: Seit 10 Jahren befindet sich der Journalist und Hacker Julian Assange in Isolation oder Haft weil er Filmaufnahmen des US-Militärs ins Internet gestellt hat, die nach Meinung der USA nicht hätten gezeigt werden dürfen. Seit Mỹ Lai will kein Militär der Welt seine Massaker an der Zivilbevölkerung veröffentlicht sehen. Eine Empörungswelle wird den teuren Tausch unserer Gasquellen (USA & Katar statt Russland) NICHT begleiten. Ein Grund mehr, JETZT 'Tschüß Gas' zu sagen. - Arno Tilsner

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