Von Ruprecht Polenz, 14.09.2022

Die Gaspreise steigen...

... die Strompreise auch. Die monatlichen Vorauszahlungen werden sich vervielfachen. Bäckereien fürchten wegen hoher Energiekosten um ihre Existenz. Ein Klopapierhersteller geht pleite, ein bekanntes Schuhhaus auch. Die Tankstellen haben bald kein AdBlue mehr. Muss man Kerzen kaufen, weil es im Winter Blackouts geben könnte?

Die Sorgen überschlagen, überlagern und verstärken sich gegenseitig. Langsam droht eine allgemeine Panik, in der alles verschwimmt. Darauf setzt Putin, denn Panik macht blind und orientierungslos.

Ideal für eine Propaganda, die diese Sorgen gegen die Solidarität mit der Ukraine ausspielt. Wenn wir das mit der Unterstützung der Ukraine lassen würden, so die Schalmeienklänge, dann würde es wie früher. Wir müssten uns keine Sorgen mehr machen. Die Ukraine könne sowieso nicht gewinnen; Waffenlieferungen verlängerten nur das Blutvergießen. Beendet die Sanktionen. Sie schaden uns mehr als Russland. Öffnet Northstream 2, dann gibts wieder Gas und die Preise sinken. - Überhaupt: das ist doch nicht unser Krieg.

Kommt Ihnen das bekannt vor? So klingt nicht nur Russia Today, sondern auch die Aufrufe von Schwarzer, Precht, Welzer, Vollmer, Kässmann, Yogeshwar und anderen.

Northstream 2 in Betrieb zu nehmen ist so, wie den Gartenschlauch beim verfeindeten Nachbarn anzuschließen in der Hoffnung, er werde den Wasserhahn aufdrehen. Es mangelt doch nicht an Pipeline-Kapazitäten, sondern am Willen von Putin, der Europa den Wirtschaftskrieg erklärt hat.

Die Transgas-Pipeline über die Ukraine könnte über 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr liefern. Sie ist mit derzeit ca 40 Milliarden Kubikmetern nicht mal zur Hälfte ausgelastet.

Für Putin wäre eine Öffnung von Northstream 2 ein riesiger Erfolg. Deutschland würde signalisieren, dass die Sanktionen nicht so ernst gemeint sind und zurückgenommen werden, sobald es ans Portemonnaie geht. Gleichzeitig wäre Deutschland im westlichen Bündnis wegen dieses Einknickens isoliert.

Putin käme seinem Ziel, Russland die Ukraine einzuverleiben und Europa zu spalten, einen großen Schritt näher. „Ziel seiner Angriffe ist nicht die Ukraine allein, sondern die europäische Ordnung, die Stabilität der Demokratien, das westliche Gesellschaftsmodell. All das gefährdet seine Diktatur, und deswegen wird dieses Modell angegriffen“, schreibt Stefan Kornelius in der Süddeutschen Zeitung.

Der „Volksverpetzer“, eine in den sozialen Medien sehr aktive, eher linke Recherche-Plattform, hat das in einem Tweet auf den Punkt gebracht:

Wer im Herbst wegen hoher Gaspreise vor dem Bundestag und nicht vor der russischen Botschaft protestiert, der ist wirklich genauso dumm, wie die russische Propaganda unsere Gesellschaft gerne darstellt.“ - Ruprecht Polenz

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