Von Ruprecht Polenz, 31.05.2023

Wenn Polizisten des SEK ...

... die Gesichter mit schwarzen Sturmhauben verhüllt, mit vorgehaltenen Maschinenpistolen in ein Haus stürmen, muss es sich um einen gefährlichen Einsatz handeln. Denkt man. Schließlich kennt man diese Bilder von bundesweiten Razzien gegen islamistische Terroristen, Reichsbürger oder Drogenkartelle.

Letzte Woche konnte man wieder solche Bilder sehen. Es gebe eine bundesweite Razzia gegen LastGeneration, hieß es zur Erklärung. Es bestehe der dringende Verdacht, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handle. Die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische LKA waren zunächst noch weiter gegangen und hatten in einer gemeinsamen Pressemeldung auf deutsch und englisch gewarnt:

„Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar! (Achtung: Spenden an die Letzte Generation stellen mithin ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung dar!)“

Das war in jedem Fall voreilig und ziemlich sicher falsch. Voreilig, weil solche Feststellungen in einem Rechtsstaat nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern durch Gerichtsurteil getroffen werden. Ziemlich sicher falsch, weil sehr umstritten ist, ob „Zweck oder Tätigkeit“ von LastGeneration „auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist“.

Das Festkleben auf Straßen, um den Verkehr zu blockieren, kann Nötigung (§ 240 StGB) sein, wie einzelne Gerichte inzwischen entschieden haben. Aber ist „Zweck und Tätigkeit“ von LastGeneration nicht darauf gerichtet, möglichst spektakulär für mehr Klimaschutz zu demonstrieren?

In keinem Fall bestand Grund zu der Annahme, dass die Polizei bei der Razzia auf bewaffneten Widerstand stoßen würde. Es hätte wohl ausgereicht, wie bei einer bundesweiten Steuerfahndung vorzugehen. So hat die Polizei ein fatales Signal an alle geschickt, die schon jetzt meinen, man könne im Weg gewaltsamer Selbstjustiz gegen die „Klimakleber“ vorgehen.

Trotzdem bleibt es strafbares Unrecht, wenn LastGeneration stundenlang Straßen blockiert. Aber es handelt sich dabei um zivilen Ungehorsam. Dieser ist laut Habermas „ein moralisch begründeter Protest. Die Regelverletzung, in der sich ziviler Ungehorsam äußert, hat ausschließlich symbolischen Charakter.“ Und natürlich müssen strafrechtliche Folgen der Regelverletzung getragen werden, so Habermas.

Wir können also beruhigt sein. Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) hat sich nicht mit Terroristen oder Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung an einen Tisch gesetzt, als er letzten Freitag mit Mitgliedern von LastGeneration gesprochen hat. Er hat ihnen in dem Gespräch auch das Notwendige gesagt:

Nötigung von Bürgerinnen und Bürgern ist Unrecht und schadet dem Klimaschutz. Die freiheitliche Demokratie setzt keine politische Position absolut. Klimapolitik ohne Berücksichtigung rechtsstaatlicher, wirtschaftlicher oder sozialer Interessen kann es nicht geben.“ Das gilt allerdings auch umgekehrt. LastGeneration sollte Lewes Aufforderung beherzigen: „Setzen Sie sich weiter für ihre berechtigten Interessen ein. Aber im Rahmen unseres Rechtssystems.“ – Ruprecht Polenz

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