Von Ruprecht Polenz, 20.09.2023

Keine Wahl mehr ...

... ohne Wahl-o-mat. Demnächst werden in Hessen und Bayern neue Landtage gewählt. Wer sich nicht sicher ist, wo das Kreuz gemacht werden soll, kann mit dem Wahl-o-mat feststellen, welche Partei mit den eigenen politischen Anschauungen am meisten übereinstimmt.

Man muss sich nur durch 38 Fragen klicken. Außerdem kann man die Fragen, die einem besonders wichtig sind, extra gewichten. Wenn das erledigt ist, gibt man noch an, für welche Parteien man die Übereinstimmung mit der eigenen politischen Meinung ermittelt haben will.

So weit, so gut, möchte man meinen. Und die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung, die für den Wahl-o-mat die Programme der Parteien gelesen, ausgewertet und den jeweiligen Fragen zugeordnet haben, sind stolz wie Bolle, dass ihr Wahl-o-mat millionenfach genutzt wird.

Aber es gibt einen entscheidenen Haken. Ich habe die Wahl-o-mat-Fragen für Hessen beantwortet und mich jeweils zwischen „stimme zu - neutral - stimme nicht zu“ entschieden. Die Fragen habe ich nicht besonders gewichtet. Dann wollte ich das Ergebnis für die zur Zeit im Landtag vertretenen Parteien wissen.

Man kann eine kurze Charakterisierung der Parteien anklicken. Zur AfD heißt es:

Die AfD wurde 2013 gegründet. Sie besetzt ein breites Feld gesellschaftspolitischer Themen mit Focus auf Asyl- und Migrationspolitik sowie stark konservative Positionen. Sie wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen geführt.

Wie vielleicht nicht anders zu erwarten stimmte ich am meisten mit der CDU überein (80,3%), gefolgt von den Grünen (75%). Aber ich traute meinen Augen nicht: nach SPD (69,7%) und FDP (65,8%) bescheinigte mit der Wahl-o-mat mit der AfD eine Übereinstimmung von 55,3%.

Keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, ich kann Sie beruhigen. Meine Übereinstimmung mit der faschistischen AfD beträgt 0,0 %.

Und damit sind wir bei einem Problem des Wahl-o-mat, das ich nicht für unbeachtlich halte. Wenn man liest, dass die eigenen politischen Ansichten zu 55,3 % mit der AfD übereinstimmen, dann kann die Partei doch gar nicht so schlimm sein, wie immer gesagt wird.

Aber Text wird aus Kontext verstanden. Das gilt auch für die Programme politischer Parteien. Und zu diesem Kontext gehören zwingend die politische Praxis und Aussagen ihrer führenden Politiker:innen. Das alles bildet der Wahl-o-mat überhaupt nicht ab. Doch selbst wenn die AfD für ein öffentliches Tanzverbot an Karfreitag wäre (Frage 35), ergäbe sich wegen Höcke, Weidel und der unsäglichen AfD-Bundestagsfraktion daraus nicht der Hauch einer Übereinstimmung mit der AfD. Der Wahl-o-mat führt hier in die Irre. – Ruprecht Polenz

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