Von Stefan Bergmann, 01.11.2023

Häuser verschwinden ...

...wenn Sie alt sind. Das muss so sein. Meistens sind sie baufällig.

Manchmal kann man mit Ihnen aber einfach nicht genug Geld verdienen. So wie vermutlich beim Eckhaus an der Wörtstraße und Hammer Straße, das gerade dem Erdboden gleich gemacht wird. Es war ein schönes Haus, wie es sie in Münster noch an vielen Ecken gibt. Es wurde 1904 erbaut, im Erphoviertel findet sich die ähnliche Architektur.

Leider, leider, so ließ der Investor verlauten, sei es unmöglich, das alte Haus zu renovieren. Um gleichzeitig anzukündigen, dass er neun Millionen Euro in die Hand nimmt, um ein neues Haus zu bauen.

Wir kennen den ursprünglichen Entwurf nicht, aber alles sieht danach aus, als hätte der Gestaltungsbeirat der Stadt die Architektur glattgeschliffen. Ein gesichtsloser Schuhkarton mit rotem Backstein (der ja für das Münsterland soooo prägend sein soll). Ein Blick in die Straßen Münsters zeigt, dass in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten mitnichten nur Backstein verbaut wurde.

Backstein hat eine Funktion, vor allem in Küstenregionen. Geputzte Häuser halten oftmals dem rauen salzigen Klima nicht stand. Der Gestaltungsbeirat hat sich wieder als Institution der Gleichmacher erwiesen, wenn er mitreden durfte. Ausnahmen von der Langweile-Regel bekommen nur Spitzenarchitekten mit Leuchtturmprojekten.

Doch die ganzen Umstände lassen vermuten, dass es dem Investor auch um etwas anderes ging. Ich bin kein Baufachmann, aber dass man ein Haus für neun Millionen Euro nicht grundsanieren und energetisch aufwerten kann, erschließt sich mir nicht. Sieben studentische Wohngemeinschaften müssen ausziehen. Dafür wird es künftig 33-Mikro-Appartments geben, die - bestimmt - einen Makro-Preis haben.

Damit wird studentischer Wohnraum vernichtet, die Gentrifizierung des Südviertel schreitet voran. Alte Bausubstanz wird geopfert, die Stadt verliert an dieser Stelle wieder ein Stück weit ihr Gesicht und wird belästigt mit austauschbarer Architektur, die man landauf landab überall findet. Einheitsbrei. - Stefan Bergmann

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