Von , 09.11.2011

Systemrelevant - was für eine elegante Wortschöpfung im Zusammenhang mit einem Großen und Ganzen, das besser nicht in seinem grundlegenden Funktionszusammenhang gestört werden sollte, oder? Tatsächlich lief am Freitag eine außerordentlich systemrelevante Meldung über den Ticker: der weltweite CO2 Ausstoß hat nach Berechnungen des US-Energieministeriums im Jahr 2010 den größten je für ein Jahr gemessenen Sprung nach vorn getan.

Eine Begrenzung der Erderwärmung auf die oft genannten 2 Grad plus gegenüber einem vorindustriellen Niveau wird es nicht geben. Wenn für ein Umsteuern je ein Zeitfenster offen war, jetzt ist es zu.

Die parallel zu dieser Botschaft in Cannes tagenden 20 Staaten-Lenker/innen hatten allerdings für die systemrelevante Dramatik der Erderwärmung keinen Blick. Sie waren in ebenso systemrelevanter Mission damit beschäftigt, nach allen Regeln der Kunst irgendwie Milliarden über Milliarden als Kredit zu schöpfen. Das Feuer einer außer Kontrolle geratenen Schuldenkrise, die man wegen der Systemrelevanz der Gläubiger - Banken und Versicherungen, die in unverantwortlicher Menge Geld verliehen haben - nicht mehr marktwirtschaftlich bereinigen kann, versucht man, mit immer größeren Geldmengen zu löschen.

Selbst wenn man die Frage außen acht lässt, ob staatliche Rettungsschirme in der Größenordnung von einer oder zwei Billiarden (!) Euro eine nachhaltige Schutzwirkung gegen die aggressive Spekulation einer zum Sterben zu systemrelevanten Finanzindustrie haben, wirkt diese nicht mehr fassbare Ausweitung der Geldmenge als Brandbeschleuniger für das globale Klima. Es ist vor allem das Geld aus der billionenschweren 2009/2010er Rettungsaktion, das die Schornsteine in China und Indien in einem Maße rauchen lässt, über das Klimaforscher nur den Kopf schütteln können.

Wenn Staaten zur Systemerhaltung Billionen Dollar oder Euro in den Wirtschaftskreislauf pumpen, kann dieses Geld - in Bildung und CO2-Vermeidung investiert - der Bewohnbarkeit des Planeten eine nachhaltige Perspektive geben. Billionen für mehr Konsum, Verkehr und Waffen treibt die gegensätzlichen Systemrelevanzen weiter auseinander. Am Bruch des Systems entsteht - wie in allen vorausgegangenen Epochen - eine neue Zeit. - Arno Tilsner

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