Von , 06.06.2012

Mit griechischen Verhältnissen kenne ich mich so wenig aus wie mit italienischen. Dafür beobachte ich eine spanische Region über die lange Zeit von 30 Jahren. Wie sich das Land in dieser Generation entwickelt hat, lässt sich an einer Vielzahl von Parametern ablesen.

Anschaulich wird der Weg von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt in diesem Diagramm: die Kurve des spanischen Zementverbrauchs. Auf Zement hat das Land seinen Boom gegründet. Wie das Schaubild zeigt, ist das spanische Wirtschaftswunder definitiv vorbei.

Zementkonsum in Spanien

Schlimmer noch: der Boom der letzten 30 Jahre ist nicht bezahlt. Bisher sind die Verluste aus den goldenen Jahren noch nicht einmal richtig verbucht.
Als am 11. Mai Hals über Kopf mit der Bankia die viertgrößte spanische Bank verstaatlicht wurde, war zunächst von zusätzlich fehlenden 10 Milliarden Euro die Rede. Eine Woche später fehlten 19 Milliarden, aktuell glaubt man an ein 23 Milliarden Loch in der Bilanz der ehemaligen Sparkasse für den Großraum Madrid. Nach allem, was man über die Kunst des Versteckens in maroden Bankbilanzen weiss, kann sich der tatsächliche Fehlbetrag schnell noch einmal verdoppeln. 50 Milliarden sind 50.000 Millionen. In diesem Fall kein Kredit für die Zukunft sondern offene Rechnungen aus der Vergangenheit.


Nach dem Willen der Politik sollen aus spanischen europäische Schulden werden. Damit möchte man Schlimmeres verhüten. Die Idee zeugt von einer Naivität, über die ich bei der Beobachtung vor Ort nur staunen kann. Selbst wenn man Spanien die Schulden abnehmen würde, brächte man damit die Wirtschaft nicht in Gang. Denn es waren doch nicht nur die Betonmischer, die am Zement hingen. Es waren auch die Kreditvermittler, die keinen Euro der Milliarden ohne Provision bewegten, die Grundstücksverkäufer, die Advokaten, die Raumausstatter und Installateure, die Straßenbauer und Grünflächen-Errichter, dazu ein Heer von Handlangern, Zu- und Nacharbeiter/Innen, ganz zu schweigen von dem Verwaltungsapparat. Die Vielen, die wegen der vielen Mischmaschinen Arbeit hatten, brachten auch den Konsumgütern einen Boom, und mit dem Konsum wuchsen die Steuereinnahmen für einen noch üppigeren Staatsapparat. Der Weg zurück auf den Boden der Tatsachen ist für die Generation Beton in Spanien so hart wie das Material. So oder so ist er unausweichlich.

Womit könnten wir Deutsche in einer europäischen Solidarität den Spaniern helfen? Wir könnten von der Euro-Doktrin ablassen, die südeuropäische Volkswirtschaften in einen Währungszusammenhang zwingt, in dem sie gegen die Produktivität des Nordens keine Chance haben. Alternativen zum Euro müssen denkbar werden, das ist eine Lehre in der aktuellen Krise.
- Arno Tilsner

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