Von , 13.06.2012

Donnerstag mittag auf der A3 nach Düsseldorf, die Wolken hängen tief, es regnet in Strömen, immer mal wieder zeigt die Traktionskontrolle Aquaplaning an. Um mich herum auf drei Spuren beängstigend dichter Verkehr. Links die bekannten Business Kombis und Geländewagen, deren Fahrzeugführer auch unter extremen Wetterbedingungen ihr Tempo kaum drosseln, rechts eine endlose Kette aus Lastkraftwagen mit ihrer 80 km/h Höchst- als Dauergeschwindigkeit.

Sturzregen darf bei der Just-in-Time Lieferkette keine Rolle spielen. Rechts hat man es eigentlich so eilig wie auf der linken Spur. In der Mitte drängen sich die PKW's, die für links zu langsam und die LKW's, die für rechts zu schnell sind. Deutschland ist am Donnerstag im Dauerregen auf Tempo wie an jedem Tag.
Vier Stunden später trete ich aus dem klimatisierten Flughafen Alicante bei 38 Grad im Schatten in das gleißende südspanische Sonnenlicht. Wer hier eine deutsche Produktivität erwartet, die Oberhausen Sterkrade Nord das Wasser reichen kann, ist ein Ignorant oder Illusionist.

Frau Merkel spricht von einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. Treffender würde sie über ein Europa mit unterschiedlichen Klimazonen und Nationen mit ausgeprägter eigener Geschichte nachdenken, dann könnte sie erkennen, dass das Desaster, das der EURO gerade anrichtet, einen elementaren Ursprung hat. Mit der Einheitswährung hat die Politik ein Jahrzehnt lang so getan, als könne man willkürlich zusammen klammern, was zu Recht mit jedem Sonnenaufgang seine Eigenständigkeit betont.

Griechenland ist nicht Italien und Italien ist nicht Frankreich oder Spanien und alle zusammen sind nicht die BRD. Möglicherweise verwischen alle nationalen Unterschiede, wenn man sich mit seinesgleichen in einer unablässigen Kette von Verhandlungen in künstlich erhellten, klimaneutralen Konferenzräumen trifft. Vom Flughafen zur Wagenkolonne in die Konferenz und zurück. Heute in London, morgen vormittag in Brüssel, abends in Berlin. Für den Schritt vor die Tür bleibt so wenig Zeit wie für den Blick über den Tellerrand. Schade!

Just-in-Time wird aus schade gerade teuer. Für Kohls Euro-Phantasterei haben die Deutschen ein Jahrzehnt zu viel Zinsen gezahlt und die Südländer zu wenig. Die Rechnung für das Experiment kommt jetzt auf den Tisch. Sie kann nur aus dem Norden bezahlt werden, weil der Süden kein Geld mehr hat. Statt in immer schnellerer Folge immer größere Rettungsschirme aufzuspannen, die das vormals wohlhabende Deutschland als Transferunion über den Süden Europas nicht halten kann, muss die erdrückende Klammer der Gemeinschaftswährung gelöst werden, damit die nationalen Volkswirtschaften überhaupt eine Chance zur Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und zur Selbstheilung haben. Den wohlhabenden Euro-Sozialismus von dem Helmut Kohl bei der Einführung der Gemeinschaftswährung träumte, wird es nicht geben. - Arno Tilsner

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