Von , 13.03.2013

Die Diskussion der letzten Monate um den gesellschaftlichen Zusammenhalt im EURO-Raum kann man knapp so zusammenfassen:

Deutschland hat den südlichen Teil des Kontinents abgehängt. Ursächlich für diese Entwicklung ist die von Gerhard Schröder am 14. März 2003 in einer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag verkündete Agenda 2010, die in den darauf folgenden zwei Jahren von der rot/grünen Bundesregierung umgesetzt wurde.

Die Namensgebung des Reformwerks folgte einer Absichtserklärung der Europäischen Regierungschefs aus dem Jahre 2000, die in Lissabon beschlosssen hatten, in einem Agenda 2010 genannten Prozess aus Europa den "'wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt' zu machen." ((Wikipedia) .

Die Absicht ist gründlich daneben gegangen. Die Deutschen gaben freiwillig her, wovon andere Völker in Europa nicht lassen wollten und wollen - ich nenne stellvertretend nur die Rente mit 67, den erweiterten Kündigungsschutz, Verzicht auf Mindestlohn, Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, massive Ausweitung des Niedriglohn-Sektors.

Auf dieser mit Hilfe der rot/grünen Politik geschaffenen, neuen gesetzlichen Grundlage gelang es Unternehmen in Deutschland - zusammen mit weiteren Kostensenkungen und Produktivitätssteigerungen - die Lohn-Stück-Kosten auf ein konkurrenzfähiges Niveau zu den asiatischen Mitbewerbern zu senken. Gleichzeitig trieb diese deutsche Variante des Agenda-Prozesses die Wettbewerbsfähigkeit zwischen Nord- und Süd-Europa auseinander.
Heute ist Deutschland weiterhin ein sehr wettbewerbsfähiger, dynamischer wissensbasierter Wirtschaftsraum mit einem schwerwiegenden polit-ökonomischen Handikap: über den EURO fest verbunden hängt am Norden eben auch der Süden Europas.

Nachdem die Schröder-Regierung wegen des Agenda-Prozesses abgewählt worden war, setzten die Merkel-Regierungen den Kurs fort, erst in großer Koalition mit der SPD, heute mit der FDP. Während viele Bürgerinnen und Bürger im abgehängten Süden nicht erkennen, welche Vorteile ihnen ein Agenda-2010-Prozess nach deutschem Vorbild bringen könnte, empfehlen hierzulande die ökonomischen Berater der Regierung unter dem Stichwort Agenda 2020 eine Verschärfung des Reform-Tempos: Rente erst ab 70, weitere Lockerung des Kündigungsschutzes, Absenkung der Hartz4-Sätze, um nur drei Stichpunkte aus den aktuellen Vorschlägen zu nennen.

Besser vor aber spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst werden sich Politik und Gesellschaft zwischen Reform-Tempo und Euro entscheiden müssen. Ein gemeinsames Europa nach deutschen Vorbild kann und wird es nicht geben. Ein gemeinsames Europa nach dem Vorbild südeuropäischer Länder ist in Deutschland weder vermittelbar noch nachhaltig finanzierbar.
Zwischen diesen beiden Extremen fehlt bisher eine Idee für den Fortbestand der traditionsreichen europäischen Kulturen. - Arno Tilsner

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