Von , 20.03.2013

"Roadmap to exit ", schrieb ich vor 10 Monaten an dieser Stelle, "nennt man hinter verschlossenen Türen den Fahrplan zur Durchführung einer Währungsreform … . Deren Unwesen besteht darin, dass sie an einem Samstag aus heiterem Himmel beschlossen wird, am Sonntag in Kraft tritt und am Montag bereits vollzogen ist. Damit wird die von einer Währungsreform betroffene Bevölkerung gehindert, ihre Sparguthaben abzuheben und so vor einer Abwertung zu bewahren. Vom Moment der Bekanntgabe einer Währungsreform an sind Bankguthaben arretiert. Wenn die Guthaben der KundInnen später aus den Geld-Knästen - in die sich Banken für die Durchführung der Reform verwandeln - entlassen werden, sind sie gemäß der regierungsamtlichen Beschlusslage weniger wert."
Tatsächlich ist Zypern das Mitglied der Währungsunion, an dem die Europäische Union seit letztem Wochenende erstmals eine Light-Version ihrer Roadmap to exit zu verproben versucht. Der Termin bot sich an, weil in Zypern und im wirtschaftlich eng verbundenen Griechenland der Montag Feiertag war, an dem Banken ohnehin für den Publikumsverkehr geschlossen blieben. Die Terminwahl gab der zypriotischen Politik einen zusätzlichen Tag für die Diskussion, ob es vorteilhafter ist, sich für Pest oder Cholera zu entscheiden. Ich bin gespannt, wie die Abstimmung in Nikosia ausgeht und wie die Sparer/innen in Griechenland und anderen von Transferzahlungen abhängigen Euro-Ländern auf den Beschluss vom Wochenende reagieren werden.
Ungeachtet der tatsächlichen Entwicklung hat die Europäische Executive klar gemacht, dass ihre eigene Zusage, der zufolge Spareinlagen der Bürgerinnen und Bürger in der EU bis zu einem Betrag von 100.000 EUR staatlich garantiert sind, unverbindlich ist. Wir können uns darauf verlassen, dass dieser Beschluss zu gegebener Zeit revidiert werden kann und revidiert werden wird (soweit geschrieben am vergangenen Sonntag 22 Uhr).

Up date Dienstag 12 Uhr: Frau Merkel hat am Montag erklären lassen, dass eine Garantie eben eine Garantie ist, weil es eine Garantie ist. Niemand in Deutschland müsse sich um Spareinlagen bei der Bank sorgen.
Mein Vertrauen in ihre offensichtliche Beschwichtigung ist gleich null. Der Bundesregierung ist die für ganz Europa gegebene Garantie von Spareinlagen bis 100.000 EUR bekannt. Im vollen Bewusstsein dessen hat sie mit den übrigen EU Partnern in Zypern einen Versuchsballon aufgelassen. Dabei wird geprüft, wie die Therapie der kleine Enteignung von Sparern wirkt und mit welchen Nebenwirkungen zu rechnen ist.
Nun: die Reaktion in Zypern ist heftig und eine parlamentarische Mehrheit zur Durchführung der Maßnahme ungewiss. Einstweilen bleiben die Banken im Land mindestens bis Donnerstag geschlossen.

Wolfgang Münchau hat heute in seiner wöchentlichen Spiegel Kolumne den Stand der Dinge so zusammen gefasst: "Leser dieser Kolumne wissen, dass ich den Euro stets befürwortete, einschließlich der Instrumente, die notwendig sind, ihn zum Erfolg zu führen. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem es nicht mehr moralisch ist, eine Währung aufrecht zu erhalten, wenn den Regierenden und den Parlamenten Wille und Einsicht fehlt, sie vernünftig zu managen. Der Tag rückt näher, an dem man den Euro nur noch mit Panzern verteidigen kann. Und dann ist der Euro es nicht mehr wert, verteidigt zu werden" (s. Spiegel-online). Dem habe ich nichts hinzuzufügen. - Arno Tilsner

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