Von , 08.05.2013

Der Fisch stinkt immer vom Kopfe her

Eine Oase, schreibt Wikipedia, "ist ein Vegetationsfleck in der Wüste". Nehmen wir diese Worterklärung als Ausgangspunkt und fragen weiter: was sind dann Steuer-Oasen? Steueroasen sind Geldinseln, die Kontinente in Zivilisationswüsten verwandeln. Wenn Zivilisation uns etwas wert ist, muss die global und im großen Stil betriebene Steuervermeidung besser heute als morgen beendet werden.

Die mediale Aufmerksamkeit um Uli Hoeneß mag berechtigt erscheinen, aber sie lenkt zugleich den Blick weg vom großen Schwarm auf einen kleinen Fisch. Während der Bayern-Lenker im Netz hängend nach Luft schnappt legt einer der größten und erfolgreichsten Konzerne der Welt mit einem sagenhaften Barvermögen von über 140 Milliarden Dollar in aller Öffentlichkeit ein Anleiheprogramm auf, um mit geliehenem Geld seinen Aktionären eine Dividende zu zahlen. Das klingt paradox.

Apple, der Ausnahmekonzern mit den schicken Produkten und schwindelerregend hohen Gewinnen, hat in den letzten Jahren aus iPhone und iPad-Verkäufen ein riesiges Barvermögen angehäuft, über dessen Wachstum man von Quartal zu Quartal voller Stolz berichtet. Dieser Musterschüler des Kapitalismus leiht sich nun für eine Dividendenzahlung Geld in einer Größenordnung, die es bisher in der Privatwirtschaft noch nicht gegeben hat.
Warum? Die Antwort ist alarmierend einfach: ca. 100 der 140 Milliarden seines Barvermögens - mehr als 2/3 - verwaltet Apple in Steueroasen. Ein unversteuerter Reichtum, der zusammen schmelzen würde wie Butter in der Sonne, wenn er vor der Ausschüttung nach Amerika eingeführt werden müsste.
Der verstorbene Steve Jobs war nicht nur ein Genie der Produktinnovation und des Produktdesigns, er hat auch die Entzivilisierung der Welt mit seinem Wir-zahlen-möglichst-wenig-Steuern-Programm im großen Stil voran getrieben. Kein gutes Beispiel.

Fazit: es macht keinen Sinn, deshalb die Revolutionsjacken aus dem Schrank zu holen. Steuer-Oasen schließt man, wie man der Gesellschaft das öffentliche Rauchen abgewöhnt hat, in beharrlicher Kleinarbeit, mit stetiger Aufklärung, bis der demokratische Druck des Schwarms von unten die Gewinne wieder in die richtigen Bahnen lenkt. Wenn man in einer Gesellschaft sehr viel verdient, kann man mit ihr auch 50/50 teilen. - Arno Tilsner

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