Von , 11.09.2013

"To whom it may concern"

Mit diesen Worten überschrieb Pierre Wauthier einen letzten Brief an seinen Arbeitgeber, bevor sich der Finanzchef der Zurich Insurance Group vor 14 Tagen das Leben nahm. Ein deutliches Signal, das der 56 jährige Familienvater in den Ring geworfen hat.
Wahrscheinlich hätte ich es gar nicht wahrgenommen, wenn nicht als unmittelbare Reaktion auf seine Entscheidung der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Zürich-AG seinen Posten geräumt hätte. Für uns in Deutschland ist der Gegenspieler des Toten ein alter Bekannter: Josef Ackermann, von 2002 bis 2012 Vorstandssprecher und Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank. Im letzten Jahr wechselte er als Verwaltungsratspräsident zur Zurich Insurance Group und wurde damit de facto Pierre Wauthiers Vorgesetzter.
Geht uns der Tod des Schweizer Versicherungs-Managers etwas an? Ich meine ja.
Seit über 10 Jahren beobachte ich, mit welch irrem Tempo das Investment Banking die Europäische Zivilisation zersetzt. Eine Seuche, die den Kontinent heimsucht wie im Mittelalter die Pest.
Ja, ich meine es, wie ich es schreibe: Josef Ackermann war das deutschsprachige Gesicht der internationalen Finanzindustrie, die ohne mit der Wimper zu zucken für 20% Jahres-Gewinn die Zukunft Ihrer Kinder und Kindeskinder verkauft. Die Schuldenkrise der europäischen Staaten ist eine Bankenkrise, herbeigeführt von skrupellosen Managern, die seit der Jahrtausendwende ihre Gier entfesselt haben. Unter dem Stichwort 'Liberalisierung' haben sie sich in den westlichen Industrieländern - ausgehend von New York und London - der staatlichen Kontrolle entzogen. Auf dem Höhepunkt der Sause feierte im April 2008 Josef Ackermann seinen 60. Geburtstag mit Angela Merkel im Kanzleramt.
Pierre Wauthier hat vorgelegt, indem er die Firma, in der er Verantwortung für die Finanzen trug, von dem furchtbaren Herrn Ackermann befreit hat. Können wir nachlegen?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir eine Wahl haben für eine Regierung, die die Banken zurück unter eine staatliche Kontrolle bringt. Mit Frau Merkel als Bundeskanzlerin wird es das notwendig enge staatliche Korsett nicht geben. Ob es mit einer von Peer Steinbrück geführten Koalition gelingt, endlich, endlich (!) Banken wieder selbst die Folgen riskantester Geschäfte tragen zu lassen, statt Steuerzahler/innen die horrenden Verluste aufzubürden, werde ich erst glauben, wenn ich es erlebe.
Dafür müssen genügend Wähler/Innen am übernächsten Sonntag mit ihrer Stimme wenigstens den Versuch einer Umsteuerung auf den Weg bringen. - Arno Tilsner

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