Von , 30.07.2014

Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz

Wie in vielen anderen Städten gab es auch in Münster eine Demonstration zum Gaza-Konflikt. Berichten zufolge verlief sie ohne nennenswerte Zwischenfälle, während anderswo Parolen zu hören waren, die man in Deutschland ein für allemal für undenkbar und ausgeschlossen gehalten hätte: "Jude, Jude, feiges Schwein - komm heraus und kämpf' allein." Das hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun. Das ist Volksverhetzung und strafbar gem. § 130 Strafgesetzbuch.
Antisemitismus darf in Deutschland nie wieder einen Platz haben. Wir sollten angesichts solcher Vorkommnisse der jüdischen Gemeinde in Münster unsere besondere Verbundenheit zeigen.


Inzwischen hat eine breite Diskussion darüber eingesetzt, wo die Grenzen zwischen Antisemitismus und einer legitimen Kritik an der israelischen Politik verlaufen.

Weil antisemitische Parolen auf den Gaza-Demonstrationen vor allem von muslimischen Migranten gerufen würden, halten manche einen sog. Multikulturalismus für schuld. Ich halte es für falsch, das Mit- und Nebeneinander verschiedener Kulturen - das ist ja nur ein anderes Wort für unterschiedliche Weltanschauungen und Lebensstile - für Antisemitismus verantwortlich zu machen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Antisemitismus gedeiht eher in Gesellschaften, die einem Trugbild größtmöglicher Homogenität hinterher jagen. Da werden Minderheiten leicht als Störenfriede, Sündenböcke oder Schlimmeres gebranntmarkt. Zur richtig verstandenen kulturellen Vielfalt gehört freilich, dass alle ihre Grundlagen achten und schützen: die Werte- und Rechtsordnung unseres Grundgesetzes.

Raphael Gross, Direkter des Jüdischen Museums und des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am Main hat für die Gaza-Demonstrationen den entscheidenden Punkt angesprochen:

"Will jemand Hass säen oder einen Konflikt lösen? Wer einen Konflikt ins Unendliche entgrenzt – etwa Rache fordert oder weitere „Schuldige“ in der nächstgelegenen Synagoge ausmacht – der ist gewiss nicht an einer Lösung des Konflikts interessiert, sondern er will, dass möglichst viele Menschen in ihn hineingezogen werden, dass es mehr Tote, mehr Verletzte gibt."

In Osnabrück haben letzte Woche ISRAELIS UND PALÄSTINENSER GEMEINSAM zu einer friedlichen Demonstration gegen den Krieg in Gaza aufgerufen. Auf Schuldzuweisungen könne verzichtet werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Deutsch-Israelischer Gesellschaft (DIG), Deutsch-Palästinensischer Gesellschaft (DPG) und Deutschem Gewerkschaftsbund. Von der Veranstaltung für Frieden und Humanität solle ein Signal des Dialogs ausgehen.

Die Initiatoren forderten übereinstimmend die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen, die Durchsetzung eines Waffenstillstandes mit internationalen Friedensverhandlungen, die „konsequente Isolation aller Kriegstreiber“ sowie eine sofortige, umfassende humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza. „Es gibt keine Alternative zum friedlichen Dialog“, betonten die beteiligten Organisationen, die ihren Friedenswunsch für den Nahen Osten in ihrem Aufruf in vier Sprachen zum Ausdruck bringen: „Frieden jetzt! Peace now! Schalom achschaw! Salam alaan!“

Über eine solche Demonstration auch in Münster würde ich mich freuen.

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