Presseausweis
Von , 08.10.2014
Arno Tilsner
Arno Tilsner
Ruprecht Polenz (CDU) hat in der letzten Woche einen launigen Presseausweis über Partner (SPD) und Juniorpartner (Grüne) in Münsters Stadtrat geschrieben. Beide zusammen, so mokiert er sich, hätten mit 33 Stimmen nicht die 37 nötigen für eine einfach Mehrheit.
Das stimmt. Aber es stimmt auch, dass seine CDU im Rat mit 25 Stimmen plus der zusätzlichen des Oberbürgermeisters (CDU) noch 7 Stimmen weiter von einer einfachen Mehrheit entfernt ist als das rot/grüne Bündnis, über das man sich nicht lustig machen muss. Denn es sind nicht die Politiker/innen, die sich die Mehrheiten-Bildung kompliziert gestalten. Es waren die Wählerinnen und Wähler der Stadt, die Markus Lewe (CDU) keine Ratsmehrheit der CDU zur Seite stellen wollten. Das sollte man bei jedem Spott über andere, die auch keine Mehrheit haben, bedenken.
In dieser Situation sah die CDU in der ganz großen Koalition (CDU + SPD + Grüne) eine machbare Alternative. Es spricht für SPD und Grüne, dass sie sich nicht darauf eingelassen haben, das Wahlergebnis derart krass zu interpretieren.
Wo immer nach einer Wahl Politiker aus dem Ergebnis lesen, was von den Wähler/innen gewiss nicht gewollt war, verstärken sie deren Trend, nicht mehr an Wahlen teilzunehmen. Ich staune, dass Herr Polenz diesen leicht verständlichen Zusammenhang nach einem Berufsleben in Parlamenten nicht sieht. Oder macht gerade ein Berufsleben in Parlamenten blind für die einfachen Zusammenhänge des öffentlichen Lebens?
Nüchtern betrachtet hätte mein Koautor auch so rechnen können: 16 Wochen nach amtlicher Veröffentlichung des Wahlergebnisses haben SPD und Grüne ihr Programm vorgestellt, mit dem sie die nächsten 290 Wochen im Stadtrat zusammenarbeiten wollen. Alle anderen Parteien sind ausdrücklich zur Mitarbeit ein- nicht ausgeladen. Niemand kann und will durchregieren. Von den 16 Wochen waren 6 Wochen Sommerferien, bleiben 10 Verhandlungswochen oder 3% der Wahlperiode für einen echten Versuch, mehr - nicht weniger - Demokratie zu wagen. - Arno Tilsner