Von Carsten Krystofiak, 12.04.2017

In dieser Woche vor 102 Jahren... erschien der Brief in der Times.

Die bekannte Londoner Zeitung „The Times“ präsentierte ihren Lesern im 2. Jahr des Ersten Weltkrieges eine besondere Story: Bei einem deutschen Kriegsgefangenen aus Münster hatten die Briten einen Brief von seiner Frau gefunden, in dem stand: „In ganz Münster gibt es fast kein Brot mehr“. Die Redakteure der Times werteten das als Erfolgsbestätigung der englischen Seeblockade vor Deutschlands Küsten, um das Reich von der Lebensmittelversorgung abzuschneiden.

Über Jahre das einzige Lebensmittel: Nach dem Krieg konnte niemand mehr Steckrüben sehen.

Doch auch nach Kriegsende im Oktober 1918 setzte England diese Hunger-Blockade völkerrechtswidrig unvermindert fort. Dadurch verhungerten noch nach dem Krieg rund 800.000 Menschen, vor allem Kinder. Allein in Münster starben rund dreitausend Nichtvolljährige an Unterernährung.


Aber dann wurde Stadtrat Ludwig Robert zum Krisenmanager: Statt sich – wie viele Schieber in diesen Jahren – selbst am Elend zu bereichern, griff er ein und kaufte überall Lebensmittel auf, zu jedem Preis. Er setzte sich beherzt über politische Gepflogenheiten hinweg und ließ auf allen Grünanlagen und unbebauten Grundstücken Gemüse anbauen: Parks wurden zu Kartoffeläckern. Er organisierte eine Transportbrücke aus den Niederlanden, die Kalorien kamen per Kanalschiff von Holland nach Münster. So rettete er etliche Jugendliche vor dem Hungertod. Erst Mitte Juli beendete England die Strangulationspolitik, die Robert „schlimmsten Kapitalismus“ nannte.

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