Von Carsten Krystofiak, 09.12.2020

In dieser Woche vor 38 Jahren …

… wurde Kanzler Kohl zum bösen Geist.

Helmut Kohl hatte geschafft, was sein unionsinterner Erzrivale Franz-Josef Strauß zweimal vergeblich versucht hatte: Der Pfälzer hatte die sozialliberale Regierungskoalition in Bonn gesprengt und war Kanzler geworden.*

Schon lange vorher hatte Münsters Karnevalsgesellschaft „Böse Geister“ den CDU-Politiker aus Oggersheim an die Aa eingeladen, um seine Ernennung zum „Ehrengeist“ feierlich entgegenzunehmen. Nun war Kohl seit ein paar Wochen Kanzler und der Narrenauftritt passte eigentlich nicht mehr ganz zur Seriösität seines hohen Amtes.

Helmut Kohl wird Kanzler

Doch Absagen wollte „der schwarze Riese“ den fest vereinbarten Termin auch nicht, entschied sich aber für einen diskreten Besuch: Morgens saß er noch bei seinem ersten Gipfeltreffen als Staatschef in Kopenhagen, nachmittags ging’s nach Münster. Mit einer kleinen Propellermaschine landete Kanzler „Birne“ auf dem Flughafen Münster-Osnabrück. Schon auf dem Rollfeld eilte ihm Münsters CDU-Vertreter Friedrich Adolf Jahn mit seinen Töchtern und einem Blumenstrauß entgegen und begrüßte Kohl besonders herzlich. Jahn war in seiner Regierung zum Staatssekretär im Bauministerium ernannt worden. Der Kanzler ließ die närrische Zeremonie im Karnevalsverein geduldig über sich ergehen.


Zwei Jahre später verlief sein nächster Besuch in Münster bedeutend anders als in diesen ersten Wochen seiner Kanzlerschaft: Während Kohls Auftritt im EU-Wahlkampf 1984 auf dem Domplatz, mussten ihn seine Leibwächter vor Eier- und Tomatenwürfen abschirmen.

* Kohl hat Strauß 1980 mit einem perfiden Manöver selbst zur Kandidatur ermutigt, um den Bayern ins Messer laufen zu lassen, weil er wusste, dass Strauß nicht gewinnen wird. Sicherheitshalber ließ er den Unions-Wahlkampf mit angezogener Handbremse führen. Die „Stoppt Strauß!“-Protestierer haben unwissentlich Kohls Karriere befördert.

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