Von Carsten Krystofiak, 25.07.2012

In dieser Woche vor 44 Jahren...

wurde der Strich gesperrt.

Münster verstand sich schon immer als Schreibtischstadt, wo Arbeit weder Lärm noch Rauch verursacht. Und natürlich als Bischofssitz, wo es brav katholisch zugeht. Darum verbannte die Verwaltung nicht nur die wenigen Industriebetriebe an den Stadtrand, sondern auch das Rotlicht.

1968 verfügte das Ordnungsamt die »gewerbliche Unzucht« der Bordsteinschwalben vom Dahlweg-Straßenstrich an den Industrieweg. Doch die abendlichen Aktivitäten von Freiern und Prostituierten störten dort den Betrieb der Westfalen AG-Sauerstoffwerke.

Auf dem Waggon stand ironischerweise: Nicht in Züge des öffentlichen Personenverkehrs einstellen ;-)

Die Toleranzschwelle wurde durch einen peinlichen Vorfall überschritten: Als ein wichtiger Industrieller per Bahn zum Geschäftstermin bei der Westfalen AG anreiste und am Bahnhof einem Taxifahrer ahnungslos die Adresse Industrieweg nannte, musste er sich anhören: »Da biste noch zu früh Opa, da is‘ jetzt noch nichts los.«


Darauf beschloss der Westfalen-Vorstand zu handeln und den An- und Abfahrtsverkehr der Freier stillzulegen: Ein Güterwaggon wurde auf dem Werksgleis mitten auf den Industrieweg geschoben. Damit war das »Sperrgebiet« nun tatsächlich gesperrt.

Die wütenden Prostituierten forderten die Polizei auf, für die Beseitigung des Verkehrshindernisses zu sorgen. Die Beamten folgten der Aufforderung. Nach einigen kleineren Reibereien fanden Luft- und Lustgewerbe aber doch noch zu einer friedlichen Koexistenz.

Auf dem Waggon stand ironischerweise:
Nicht in Züge des öffentlichen Personenverkehrs einstellen ;-)

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