Von Tobi, 22.07.2020

Meine persönliche Corona-Statistik

In einem früheren Beitrag habe ich ja bereits die großen Herausforderungen beschrieben, die der Lockdown Mitte März meinem Weinhandel bescherten: Ausfall meiner jährlichen Veranstaltung, Wegfall von privaten Weinproben, Lieferprobleme aus Shutdown-Ländern, Schließung der Gastronomie. Hier nun – der Übersichtlichkeit halber in komprimerter Form – der statistische Beleg für das erste Halbjahr:

Umsätze
2019-20 2019-20

Januar-März - 11% - 68%

April-Juni + 105% - 63%

Diese vier Zahlen beschreiben die prozentuale Umsatzveränderung im Vergleich zum Vorjahr. "Online" sind alle Erlöse, die durch Einkäufe über meinen Webshop erwirtschaftet werden. "Offline" beinhaltet alle sonstigen Umsätze, also Verkäufe an Gewerbe und Gastronomie, Bestellungen innerhalb privater Weinproben und Umsätze auf Veranstaltungen.

Aus Frankreich hat der Warentransport zum Glück immer geklappt!

Im ersten Quartal sank der Online-Umsatz um 11%. Hier wirkten sich bereits die Lieferprobleme meiner italienischen und spanischen Winzer aus. Wegen der teilweise schon seit Februar geltenden totalen Ausgangssperre in beiden Ländern konnten auf den Weingütern keine Ladungen verpackt werden. Zusätzlich brach, weil viele Umschlaglager schließen mussten, der Stückgutverkehr zeitweise komplett zusammen.


Offline ging es um 68% runter. Dieser Wert veranschaulicht drastisch, welche große wirtschaftliche Bedeutung meine jährliche Weinmesse, die eigentlich am 13. März stattfinden sollte und wegen des Lockdowns ersatzlos ausfiel, für mich hat. Zusätzlich wirkte sich schon hier der Shutdown der Münsteraner Gastronomie aus. Ein Trend, der sich im zweiten Quartal auf dem gleichen besch…eidenen Niveau hielt – alle geplanten Weinproben mussten abgesagt werden und meine Wiederverkäufer-Kunden hatten noch die Lager voll.

Online drehte sich der Wind allerdings komplett. Die Leute blieben zu Hause, hatten aber weiterhin Durst und bestellten eben übers Internet ihren Wein. 105% Umsatzsteigerung im zweiten Quartal sprechen da eine klare Sprache. Ohne die erwähnten Lieferantenprobleme hätte es sogar noch mehr sein können. Hervorzuheben ist, dass die Umsätze trotz teilweiser Wiedereröffnung der Gastronomie weiter hoch blieben. Wahrscheinlich ist der Effekt also zweiteilig: Es gibt eine Bewegung "ausgehen > zu Hause bleiben", die sich vermutlich wieder erledigen wird, und eine weitere "im Geschäft kaufen > von zu Hause bestellen", eine Verschiebung, die sich anscheinend hält oder sogar noch größer geworden ist.

Sollte sich dieser Trend dauerhaft halten, werden wir meines Erachtens ein noch größeres Geschäftssterben in den Innenstädten erleben, als bereits befürchtet, zumindest, so lange weiterhin versucht wird, die Probleme von heute und morgen mit Mitteln von gestern und vorgestern, also selbstmörderischem Preiskampf, prähistorischer Infrastrukturpolitik, als Wirtschaftspolitik getarntem Protektionismus und einseitiger Bevorzugung lobbyierender Großunternehmen, zu lösen.

Auch, wenn ich selbst einen Online-Shop betreibe, liegt mir die Erhaltung der Lebendigkeit unserer Innenstädte sehr am Herzen – meiner Überzeugung nach übrigens absolut kein Widerspruch.

Die Brücke von Dokkum Übergang in eine andere Einzelhandelswelt...

Unser neulicher Kurzurlaub im niederländischen Friesland hat den entscheidenden Impuls gegeben, mir dieses Thema hier in den nächsten Wochen zu eigen zu machen. Wir haben drei Städte verschiedener Größe (Dokkum, ca. 12.000, Leeuwarden, ca. 120.000 sowie Groningen, ca. 230.000 Einwohner) teilweise mehrmals besucht und konnten viele Gemeinsamkeiten, jedoch noch mehr Unterschiede zu deutschen Städten vergleichbarer Größe feststellen.


Was wäre Holland ohne Windmühlen?

So, jetzt fahre ich aber erst mal in die Stadt (natürlich mit dem Rad!) und kümmere mich um die Bestückung der na dann… – Fahrräder. Horrido!


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