Presseausweis
Von Stefan Bergmann, 29.01.2020
Die Politik plänkelt so vor sich hin,
Die Politik plänkelt so vor sich hin, Januar ist Zeit zum Luftholen und Schwung nehmen. Also blicken wir aufs Landesmuseum oder auch: LWL-Museum für Kunst und Kultur. Dort ist in den letzten Monaten etwas passiert, was in Münster wohl niemand für möglich gehalten hätte. Lange Schlangen vor den Kassen, teilweise bis auf die Straße. Schlangen vor den Ausstellungsräumen. Szenen, die man sonst eher vom Moma in Bilbao kennt oder anderen großen Häusern dieser Welt. Dies alles geschuldet einem Künstler, den man erst einmal auf dem Schirm haben muss: William Turner ist jetzt nicht der Maler, der wohl- und augengefällige Bilder à la Chagall, Picasso oder Monet malt. Mithin hat er auch nicht deren Strahlkraft und hängt selten als 08/15-Kunstdruck in Küchen und Wohnzimmern. Wie also konnte das passieren: Ein überfülltes Museum?
Wer sich zurückerinnert an alte Zeiten, als das Museum noch ein drückender Betonbau mit niedrigen Decken, wenig Licht aber mit viel morbidem Charme der Nachkriegszeit war, hat schon einen Grund gefunden. Die Architektur des neuen Museums, in der Anfangszeit von einigen als zu protzig empfunden, wirkt. Und sie hat offenbar auch das Konzept des Hauses verändert. Weg vom Klein-Klein der westfälischen Brauchtumsmaler und hin zu den Großen der Zunft. Da kann man vortrefflich streiten darüber, ob sich solche Blockbuster-Austellungen für ein Museum, das jahrzehntelang eher hochgeistig (und ein bisschen langweilig) unterwegs war, überhaupt ziemen? Andererseits: Was gibt es Schöneres, als dass Menschen kommen, die vielleicht vorher noch nie einen Schritt ins LWL-Museum gesetzt haben? Zumal Turner auch ein Wagnis war. Siehe oben. Es hätte auch schiefgehen können. Ist es aber nicht. Und das hat wohl damit zu tun, dass im Neubau des altehrwürdigen Instituts ein neuer Geist herrscht. Kunst muss vielleicht nicht gefallen, aber sie darf. Und bloß, weil sie gefällt, heißt das nicht, dass sie schlecht oder leichtfüßig ist. Und wenn der ein oder andere der vielen Tausend Besucher dann doch mal einen Abstecher in die Sammlung macht (sich zum Beispiel den faszinierenden neuen Soulages anschaut, oder auch das - oh grusel! - das westfälische Münzkabinett - umso besser!)
Das Landesmuseum entwickelt immer mehr Strahlkraft, wird ernsthaft wahrgenommen vom Feuilleton landauf landab (obwohl das ja nicht wirklich ein Kriterium ist). Man nähert sich immer mehr dem Ziel an, auch zwischen den Skulptur-Projekten wahrgenommen zu werden. Und endlich entdeckt auch der Münsteraner, dass da am Domplatz ein Juwel steht, das mitspielen kann in der oberen Liga der großen Häuser. Und zwar nicht mit westfälischen Porzellantassen, sondern mit großen Künstlern. Welch eine Metamorphose!