Presseausweis
Von Marit Schnackenberg, 26.02.2025
Gedanken zur Bundestagswahl
So ein sonniger Wahltag hat für mich deshalb ein besonderes Flair, weil es mich demütig macht. Jeder von uns hat eine Stimme und wir alle sehnen uns nach einem guten Leben.
Jetzt bin ich bin froh, dass die Wahlen vorbei sind und nun endlich die Wahlplakate wieder abgehängt werden. Nun muss ich nicht mehr alle paar Meter auf ein solches schauen, muss nicht mehr an diesen vielen „Freiheit“, „Demokratie“, „Wachstum“, „Wohlstand“ – Gesichter-Plakaten vorbei. Auch wenn ich nur noch sehr punktuell fernsehe, bin ich auch froh, dass diese Battles und Runden dort vorbei sind. Dieses Kommunikation, in der sich Journalisten und Politiker so aufführen, schlaucht. Ich weiß, es heißt Wahl-KAMPF. Aber ich mag es nicht und es tut auch meiner Psyche nicht gut. Ich zucke immer etwas zusammen, wenn verbal schweres Gerät aufgefahren wird, egal gegen wen.
Ja, ihr hört richtig, egal gegen wen. Ich möchte weder, dass die Kinder dieser Sprache ausgesetzt sind, noch möchte ich mich dem aussetzen. Ich möchte gern, dass wir gut zusammen leben und wünsche mir, dass die Politiker ihre Programme vorstellen, dass die Medien diese erklären und verbreiten und ich wünsche mir, dass viel mehr Vorsicht in Worten geübt wird.
Ich traf Ende Januar eine ehemalige Münsteranerin, eine junge Studentin in Berlin. Sie war so sympathisch und unaufgeregt, auch in der Wahrnehmung der Sorgen vieler Menschen, die die AFD wählen. Sie hat einen Bekannten, der LINKEN bei Hausbesuchen in Berlin-Neukölln begleitet. Ich mochte ihre Art. Sie war feiner, vorsichtiger, anders als der Protest gegen Rechts, bei dem die ü-50ger unter der Melodie „Heo, spann den Wagen an“, „Wehrt euch, leistet Widerstand, gegen den Faschismus hier im Land“ rufen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man von einer solchen Demo zurückkehrt und dann gut zuwege ist. Aber dies ist jetzt meine Herausforderung, auch die Menschen auf dem Domplatz mit ihrer Angst vor und ihrer Abwehr gegen die AFD zu verstehen. Ebenso, wie ich die Menschen in der Dachsleite, im Marderweg und in der Breslauer Straße in Coerde verstehen möchte. Eben die, die die AFD in der Mehrheit der Haushalte gewählt haben. In Münsters Mitte dominieren GRÜNE und die CDU. Die Statistiken zum Alter, dem Bildungsstand und der Einkommensschicht und zu ihren Medienkanälen ergeben dieses Bild. Auch ich habe erwartbar gewählt. Tragisch finde ich die so deutlichen Unterschiede zwischen dem Osten und Westen Deutschlands und hoffe hier in den nächsten Jahren auf viel mehr gutes Miteinander.
Marit Schnackenberg, 24.02.2025
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Mehr Gedanken zur Wahl
Ein Zitat von der grünen Wahlgewinnerin Sylvia Rietenberg am Sonntagabend ließ aufhorchen: „Es muss uns zutiefst beunruhigen, dass die Ränder so stark abgeschnitten haben“, sagte sie den Westfälischen Nachrichten zufolge. Nun, dass die Verwunderung erst jetzt bei den Grünen aufkeimt, verwundert dann doch. Nicht nur die Grünen, sondern auch CDU und SPD und FDP hätten sich schon nach der letzten Bundestagswahl wundern können. Und nach der Europawahl. Und nach den Kommunalwahlen. Und sie hätten sich wundern müssen.
Die Schuld für die AfD-Ergebnisse „den dummen Wählern“ zuzuschieben, die jetzt plötzlich alle ins Rechts- oder Linksextreme abdriften – das ist zu einfach. Wenn die politische Mitte nicht liefert, dann erstarken die extremen Ränder. Weil sie plakativ-einfache Antworten auf komplexe Probleme geben und den Vorteil haben, nie an der Realität gemessen zu werden. Während es die Mitte verpasst, wenigstens zu versuchen, klar zu handeln. Das ist eine politische Binsenweisheit.
Die Grünen in Münster im Glück – ja, so kann man es sehen und sich im Freudestaumel zuprosten. Doch das gute grüne Ergebnis aus Münster ist nicht symptomatisch für Berlin. Nur mit hauchdünner Mehrheit werden CDU und SPD eine Regierungsmehrheit hinkriegen, und rechts neben ihnen sitzt die feixende AfD, deren Frontfrau Alice Weidel am Sonntagabend schon wieder gaulanderte: „Wir werden sie jagen!“. Es ist kaum zu ertragen, was gerade in unserer Republik passiert. Und es ist nicht zu ertragen, dass die Parteien der Mitte dieses Desaster selbst produziert haben.
Angetrieben vom Egomanen Lindner, vom Schöngeist Habeck und gebremst vom Scholzomaten hat die Ampel drei Jahre Stillstand provoziert. Ok, die Windkraft boomt. Ein Punkt. Man hat die Gaskrise in den Griff gekriegt: Noch ein Punkt. Aber das war‘s dann auch schon. Die illegale Zuwanderung wurde ignoriert, obwohl jedem in Berlin klar sein musste, dass sie einer der wesentlichen Angst-Punkte der Menschen ist. Ob diese Angst berechtigt ist oder nicht, sei dahingestellt. Ich glaube nein. Man hat das ignoriert. Es hätte ja keine Radikal-Lösung gebraucht, aber wenigstens irgendeine.
Das völlig dilettantische Heizungsgesetz (ja, da war sie wieder die moralische Überheblichkeit der Grünen, gepaart mit der Aura des Besserverdieners), die Inflation, die sich zwar abgeschwächt hat, aber die Preise bleiben natürlich trotzdem oben, der teure Strom für Industrie und Verbraucher, die völlig verkorkste Förderpolitik für E-Autos (erst nutzte sie nur den Reichen, dann wurde sie über Nacht abgeschafft und nutzte niemanden mehr), das endlose Gerede vom Bürokratieabbau (Bravo! Man muss sich jetzt beim Hotel-Check-In nicht mehr mit Perso anmelden) – Es ist eine Bilanz des Grauens, die die Ampel hingelegt hat. Und die Regierung davor war auch nicht viel besser.
Niemand muss sich also wundern, dass die Ränder stark werden und viele Wähler auf die völkische Floskeln und die Radikalinskis der AfD reinfallen.
Die Schuld, pardon, liegt bei Euch: liebe CDU, liebe SPD, liebe FDP und liebe Grüne. Es wäre schön, wenn Ihr jetzt endlich mal an die Arbeit gehen würdet und Eure übergroßen Egos am eigenen Wohnzimmertisch auslebt.
Oh pardon. Das macht die FDP ja jetzt in Vollzeit. – Stefan Bergmann
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Eine Schicksals-Wahl
Parteien neigen dazu, jede Wahl als Schicksalswahl zu bezeichnen. Diesmal haben sie doppelt Recht. Trump hat das Verhältnis der USA zu Europa auf den Kopf gestellt und ist dabei, sich mit Putin gegen China zu verbünden. So jedenfalls sein Plan, für den er die Ukraine opfert und Russland eine Option für das restliche Europa in Aussicht stellt.
In Deutschland verdoppelt die Kreml-nahe AfD ihren Stimmenanteil auf 20 Prozent. In den ostdeutschen Ländern wird sie mit oft mehr als 35 Prozent stärkste Partei. Man muss nicht soweit gehen, und den braunen Teufel eines Wahlsiegs der AfD bei den nächsten Bundestagswahlen 2029 an die Wand malen. Aber es wird wirklich höchste Zeit, die AfD politisch wieder zurückzudrängen, so lange es noch nicht zu spät ist.
In Münster kommt die AfD mit 6,9% zum ersten Mal über die 5%-Hürde. Das ist bundesweit zwar immer noch eines ihrer schlechtesten Ergebnisse. Aber ein Blick nach Coerde zeigt, dass Münster jetzt auch ein AfD-Problem hat. Dort haben die völkischen Nationalisten 19,8% geholt.
Die demokratischen Parteien wären gut beraten, die Gründe dafür genau analysieren zu lassen, vielleicht durch eine wissenschaftliche Studie. Hier wäre das Geld sicher sinnvoller investiert, als in Gutachten zu Straßenumbenennungen. Schon jetzt kann man empfehlen, die nächste Münster-bleibt-bunt-Demo in Coerde abzuhalten.
Falls Migration eine besondere Rolle für Wahlentscheidungen in Coerde gespielt haben sollte, hilft vielleicht dieser Hinweis: Die Ursache für Millionen syrischer und ukrainischer Flüchtlinge ist die Aggressionspolitik Russlands. Putin hat den Kriegsverbrecher Assad unterstützt und die syrische Zivilbevölkerung bombardieren lassen, und er hat die Ukraine überfallen. Wird er in der Ukraine nicht gestoppt, werden sich weitere Millionen auf den Weg nach Westen machen.
Also wirklich kein Grund, die Kreml-nahe AfD zu wählen, wenn man Sorge vor zu vielen Flüchtlingen hat.
Vor der neuen Bundesregierung türmt sich ein Berg von Problemen. Für mich am dringlichsten: wir müssen die russische Aggression stoppen und uns als Europäer weitgehend selbst verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen.
Wir hatten 1990 eine Bundeswehr von 500.000 Soldaten und eine Mobilisierungsreserve von bis zu 1,3 Millionen. Heute sind es 181.600 Soldatinnen und Soldaten und 34.000 Reservisten.
Polen hat halb so viele Einwohner wie Deutschland und strebt mittelfristig eine Truppenstärke von 300.000 Soldaten an. Schauen wir auf Schweden. Das Land hat die Zeichen der Zeit erkannt. Es hat seine Neutralität nach über 200 Jahren aufgegeben und sich der NATO angeschlossen. Es hat 2017 die Wehrpflicht wieder eingeführt. Darüber hinaus gibt es eine allgemeine Heimatschutzpflicht.
2025 war eine Schicksalswahl. Damit wir weiter in Frieden und Sicherheit leben können, muss die neue Bundesregierung die Zeichen der Zeit erkennen und rasch und entschlossen handeln. Dafür braucht sie die Unterstützung der Bevölkerung, auch der von Münster.
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Radikaler Schwenk
Eine radikale Bewertung der dreijährigen Regierungsarbeit von SPD, GRÜNEN und FDP gibt die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen.
Wählende in dieser Altersgruppe entschieden sich am Ende der ewigen (16) Merkel Jahre überproportional deutlich für die gemäßigten Oppositionsparteien GRÜNE und FDP. Sie schafften damit die Grundlage für drei Regierungjahre der Ampel. Mit 59% Zustimmung in dieser Altersgruppe für Grüne, FDP, SPD konstituierte sich 2021 genau die Regierung ihrer Wahl.
Nach dem Scheitern ihrer Wunschkoalition orientierten sich die Jungwähler bei den vorgezogenen Neuwahlen nicht zurück zu Parteien der Mitte sondern gaben den Parteien rechts und links außen einen überproportionalen Stimmenanteil. 47% der 18- bis 24-Jährigen stimmten für AfD oder Linke. Dafür bekommen sie diesmal wahrscheinlich keine Regierungsbeteiligung.

Die beiden Parteien der gesellschaftlichen Mitte im Bundestag – unter CDU/CSU-Führung mit der SPD als Junior-Partner in einer denkbar kleinen Koalition – müssen jetzt unverzüglich mit konzentrierter Regierungsarbeit überzeugen. Andernfalls werden bei Wahlen in vier Jahren die extremen Ränder zur neuen Mitte.